Pestmond (German Edition)
auf eine Weise, die ihm unbekannt war und der er sich nicht zu erwehren wusste.
Mühsam drehte er sich auf den Rücken, zog das unverletzte Bein an, um noch einmal zuzutreten und die grausige Kreatur so nicht nur endgültig abzuschütteln, sondern möglichst weit weg ins Meer zurückzustoßen, führte die Bewegung dann aber nicht zu Ende, als Ali mit zwei ausgreifenden Schritten an ihm vorbeistürmte und den Untoten mit einem Schwerthieb enthauptete. Der zertrümmerte Schädel verschwand in der Dunkelheit, als wäre er tatsächlich nur ein böser Spuk, während der kopflose Torso mit pendelnden Gliedmaßen in der Dünung trieb, als versuchte er trotz allem, zu ihm zurückzuschwimmen, um seiner Beute doch noch habhaft zu werden. Vorsichtshalber kroch er ein weiteres Stück den Strand hinauf, bevor er sich auf die Ellbogen hochstemmte und aufzustehen versuchte.
Es blieb bei dem Versuch. Sein Fuß pochte, als wäre er in einen Bottich mit kochendem Öl getreten, und als er das Bein belasten wollte, kippte er einfach auf die Seite. Er blutete noch immer stark. Unter dem zerrissenen Leder seines Stiefels war der Fuß kaum noch als solcher zu erkennen. Das Fleisch schien zu brodeln, als begänne es sich zu verflüssigen. Andrej konnte nicht nur fühlen, sondern auch sehen, wie sein Körper zerrissenes Fleisch und zerstörte Knochen zu heilen versuchte und ihm weder das eine noch das andere auf die gewohnte Weise gelang. Aus der aufgerissenen Arterie pulsierte noch immer Blut in einem zähen Strom, der in der Nacht beinahe schwarz aussah und so zähflüssig wie halb geschmolzenes Pech. Und da war noch etwas anderes und Schlimmeres, das ihn von innen heraus zu zerstören versuchte und nicht nur seinen Körper angriff, sondern auch seine Seele. Schwärze nagte an dem, was das Menschliche in ihm ausmachte, eine modrige Schwärze niemals gekannter Art, vor der sich selbst das Ungeheuer am Grunde seiner Seele angstvoll duckte.
Etwas bewegte sich hinter ihm, aber er registrierte nur Schatten. Vielleicht war es auch nur seine Angst, die Gestalt angenommen hatte. Jemand sagte etwas, möglicherweise seinen Namen, doch selbst das entglitt ihm, wurde bedeutungslos und zu einem Teil des sich immer schneller drehenden schwarzen Strudels, der seine Gedanken verschlang. Da war etwas … Faulendes, das in ihm wuchs und stärker wurde, das jegliches Gefühl und alle Wärme verzehrte, zusammen mit einer finsteren Gier, tausendmal schlimmer als der Hunger nach Blut, der den Vampyr in ihm quälte, und ebenso unstillbar.
»Andrej?«
Im ersten Moment erkannte er nur die Stimme, Abu Duns Gesicht blieb ein schwarzer Fleck vor noch tieferem Schwarz. Er hörte Sorge in seiner Stimme, was ihn nicht erstaunte, aber da war auch noch etwas, das ihn hätte alarmieren sollen und es zweifellos auch getan hätte, wäre er imstande gewesen, einem so komplizierten Gedanken zu folgen. Mit einer Anstrengung, die seine Kräfte beinahe überstieg, drängte er die lodernde Pein wenigstens so weit zurück, dass immerhin ein gequältes Wimmern über seine Lippen kam, als er zu sprechen versuchte, und im Geleit dieses kleinen Erfolges klärte sich auch sein Blick. Etwas war hier nicht so, wie es sein sollte. Er spürte, dass ihm Zeit abhandengekommen war, und es fühlte sich an, als wären es mehr als nur wenige Augenblicke gewesen. Aber wie konnte das sein?
»Alles in Ordnung?«
Die Frage wäre ihm selbst dann wie blanker Hohn erschienen, wäre sie nicht von Abu Dun gekommen, der ihn doch so gut kannte. Im Allgemeinen genügte dem Nubier ein einziger Blick Andrejs, um zu wissen, wie er sich fühlte – und oft genug wusste er es besser als er selbst.
»Ja«, log er. »Sieht man mir das nicht an? «
»Du bist verletzt«, stellte Abu Dun fest. Um ein Haar hätte Andrej geantwortet: Nicht für lange, doch dann fiel ihm ein, dass sie nicht allein waren.
Außerdem war er gar nicht sicher, ob es die Wahrheit gewesen wäre.
Deshalb beließ er es bei einem unwirschen Nicken, versuchte aufzustehen und registrierte erstaunt, dass Abu Dun die Hand ausstreckte, als wollte er ihm helfen.
Andrej ignorierte die vermeintlich hilfreiche Geste und versuchte es aus eigener Kraft, doch Abu Dun legte ihm die gesunde Hand auf die Schulter und drückte ihn sanft, aber entschieden zurück.
»Du bist verletzt«, sagte nun auch eine andere Stimme hinter ihm. Es war Hasan, und auch in seiner Stimme war etwas, das Andrej ganz und gar nicht gefiel.
Er sah an sich herab und stellte
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