Pestmond (German Edition)
eleganter.
Andrej gönnte sich noch einige weitere Augenblicke des Selbstmitleids und wartete ab, bis Abu Dun lautlos über der Reling verschwunden war und sich dann zu ihm herabbeugte, um ihm zuzuwinken. Erst dann folgte er ihm, nicht annähernd so mühelos und flink. Abu Dun machte keinerlei Anstalten, ihm über die Reling zu helfen, doch sein Blick blieb besorgt. Vielleicht hätte er auf ihn hören und unten im Wasser bleiben sollen. Andrej fühlte sich kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten, geschweige denn zu kämpfen.
Dennoch zog er sein Schwert, und auch Abu Dun bog die drei noch funktionierenden Finger seiner eisernen Hand klickend in Position, damit sie sich fest um den umgebauten Säbel schlossen. »Bleib immer hinter mir!«, sagte er nur.
Es war nicht das erste Schiff, das sie enterten, und so hatten sie es trotz des längeren Weges über das Achterkastell betreten, von dem aus sie das gesamte Deck überblicken konnten. Nicht, dass es wirklich viel zu sehen gegeben hätte. Die Pestmond maß vom Heck bis zum Bugkastell gerade einmal siebzig oder fünfundsiebzig Fuß, sodass sie trotz der nahezu vollkommenen Dunkelheit jeden sofort erspäht hätten, wäre dort unten jemand gewesen – oder etwas. Trotzdem blieb Andrej auf der Hut und so angespannt, als bereitete er sich auf eine Schlacht vor.
Dabei sagte ihm sein Verstand, dass die unheimlichen Kreaturen nicht hier sein konnten.
»Bleib hinter mir!«, sagte Abu Dun noch einmal. »Und tu nichts, was ich an deiner Stelle nicht auch täte … oder nein, tu nicht einmal das, wenn ich es mir genau überlege.«
Andrej, der sich ohnehin hinter dem breiten Rücken des Nubiers hielt, lächelte nur flüchtig, zu mehr fand er nicht die Kraft. Seine Gedanken bewegten sich noch immer ungewohnt schwerfällig und träge. Abu Dun hatte recht gehabt, dachte er. Er hätte nicht mitkommen sollen. Im Augenblick war er nur eine Last. Bestenfalls.
»Du hast recht gehabt«, sagte er. »Ich hätte nicht mitkommen sollen.«
»Das sagst du jetzt nur, weil niemand bei uns ist, der es hört«, sagte Abu Dun. »Später wirst du leugnen, es jemals zugegeben zu haben.«
»Das ist wahr«, sagte Andrej. »Und du …«
Abu Dun hob so abrupt den Arm, dass Andrej verstummte und stehen blieb. Er lauschte, aber sein Herz schlug mit einem Mal so laut, dass es jedes andere Geräusch übertönte.
»Was hast …?«, begann er, und dieses Mal unterbrach ihn Abu Dun, indem er ihm, ohne sich auch nur zu ihm herumgedreht zu haben, den Ellbogen hart genug vor die Brust stieß, dass er einen Schritt zurück und gegen die Reling stolperte und so der torkelnden Gestalt entging, die ihn genau aus der Richtung ansprang, die er gerade inspiziert und für sicher befunden hatte. Ein zweiter und dritter Untoter erschien wie aus dem Nichts und vollkommen lautlos rechts und links von Abu Dun. Den ersten empfing der Nubier mit einem Schwerthieb, der ihn nahezu halbierte.
Immerhin funktionierten seine Reflexe noch, sodass Andrej nicht nur mit einem raschen Schritt zur Seite sein Gleichgewicht wiederfand und nicht stürzte, sondern auch den Saif in die Höhe riss. Der Hieb war lächerlich langsam und so schwach wie der eines Kindes, doch was ihm nicht gelang, das übernahm der tote Angreifer für ihn, als er in seinem Ungestüm an ihm vorübertorkelte und sich dabei der Länge nach selbst aufschlitzte, sodass er mit dem übernächsten Schritt über seine eigenen Eingeweide stolperte und neben Abu Dun auf das Deck fiel. Der Nubier sorgte mit einem gewaltigen Aufstampfen seines rechten Fußes dafür, dass er nie wieder aufstehen würde, packte den verbliebenen wandelnden Leichnam mit beiden Händen und warf ihn mit solcher Gewalt gegen den Mast, dass er davon abprallte und in hohem Bogen über Bord geschleudert wurde.
»Pass auf!«, schrie Abu Dun. »Hinter dir!«
Die Warnung hätte nicht nötig sein dürfen. Erst durch Abu Duns Schrei darauf aufmerksam geworden, registrierte er das schwerfällige nasse Schlurfen hinter sich, packte das Schwert nun mit beiden Händen und wollte herumfahren, um den heimtückischen Angreifer gebührend in Empfang zu nehmen, doch er brachte die Bewegung nicht einmal halb zu Ende. Leblose Arme umfingen ihn mit fürchterlicher Kraft, unmittelbar vor ihm war plötzlich ein bleiches Gesicht mit leeren Augen und weit aufgerissenem Mund, und faulende Zähne gierten nach seinem Hals. Andrej warf verzweifelt den Kopf zur Seite und entging den zuschnappenden Kiefern nur um
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