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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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(Hasan hatte darauf bestanden, damit er sich einigermaßen erholte, bevor sie die Pestmond erreichten, und ihm selbst bereitete es nicht einmal die Spur eines schlechten Gewissens), musste er an sich halten, um nicht mit den Zähnen zu klappern.
    »Hört auf zu rudern«, befahl Abu Dun. Obwohl er nur flüsterte, hallten seine Worte unnatürlich weit über das Meer, genau wie das Klatschen der Ruder, nachdem die beiden Männer die Riemen aus dem Wasser gehoben hatten. Mit leiser Schadenfreude beobachtete Andrej, wie sich das Ende eines Ruders unsanft in Alis Rippen bohrte, suchte aber vergeblich nach einem Anzeichen von Schmerz in Alis Gesicht und wandte sich schließlich wieder dem Umriss des Schiffes zu, der sich jetzt deutlicher aus dem grauen Nebeldunst herauszuschälen begann. Auf den ersten Blick hätte man es für eine dickbäuchige Kogge halten können, wie sie die Hansestädte mit Vorliebe einsetzten, doch dazu passte weder der flache Bug noch das hohe Heck und etwas, das er im grauen Dunst kaum erkennen konnte und ihn doch schaudern ließ: ein Bugkastell, wie er es ansonsten nur von Kriegsschiffen kannte.
    Das Ruderboot legte sich auf die Seite und schwenkte ein Stück herum, gleichzeitig trieben die Nebelschwaden auseinander, als flöhen sie vor ihnen, bis sich vor ihnen die Umrisse einer italienischen Galeota herauszuschälen begannen. Dann waren sie heran. Deutlich sah Andrej über sich die arabischen Worteauf der Bordwand prangen: Pest und Mond. Welcher Verrückte nannte sein Schiff Pestmond ?
    Von Hasan wusste er, dass sie zwölf Besatzungsmitglieder gehabt hatte, Vercelli und die beiden Matrosen von Strand mitgezählt, was bedeutete, dass auf der dickbäuchigen Galeota noch weitere neun Männer sein mussten. Der kalte Wind, der ihnen ins Gesicht blies, brachte jedoch nur den Geruch von Salzwasser, nassem Segeltuch und Holz, das Knarren des Rumpfes und das dumpfe Stöhnen von straff gespannten Tauen heran. Sie waren jetzt so nahe, dass er selbst die Atemzüge eines dreiviertel Dutzend Männer gehört hätte, das sich an Bord des Schiffes aufhielt, und möglicherweise sogar ihren Herzschlag.
    Doch Tote atmeten nicht. Und auch ihre Herzen schlugen nicht.
    Abu Dun schälte sich aus dem Mantel (wobei er sich so ungeschickt anstellte, dass er Ali den Ellbogen kräftig in die andere Seite rammte) und maß Andrej mit einem langen skeptischen Blick. »Bereit?«
    Statt zu antworten, sah Andrej mit missmutiger Miene ins Wasser. Rings um das Boot tanzten die Köpfe eines knappen Dutzends Männer wie Bojen auf den Wellen. Sie hielten sich an Seilen und zusammengeknoteten Turbantüchern, um sich von dem kleinen Schiffchen schleppen zu lassen. Andrej meinte sogar, das Klappern ihrer Zähne zu hören. Er nahm an, dass Abu Duns Plan nicht bei allen Männern auf ungeteilte Zustimmung gestoßen war.
    »Nein«, antwortete er mit einiger Verspätung und schnitt eine Grimasse. »Niemand ist bereit, in dieses Wasser zu springen.«
    »In das die Fische pinkeln, gar nicht von dem zu sprechen, was sie sonst noch so alles treiben.« Abu Dun lächelte bemüht, aber sein Blick blieb ernst. Und auch Andrejs Antwort war nicht zur Gänze scherzhaft gemeint gewesen. Sein Fuß hatte aufgehört zu bluten, und auch der Schmerz war endlich fort, aber die Wunde war immer noch nicht ganz verheilt. Ihm war, als hätte er etwas Verdorbenes zu sich genommen, das nun in seinen Eingeweiden wühlte und gärte, ohne dass er die genaue Quelle seines Unbehagens benennen konnte.
    »Ein Grund mehr, nicht länger zu warten«, antwortete er, was Abu Dun als Antwort zu genügen schien, denn er wandte sich an Ali. »Ihr wartet, bis Andrej und ich euch signalisieren, dass alles in Ordnung ist«, sagte er. »Dann folgt ihr uns.«
    »Und wenn ihr uns das Zeichen nicht gebt?«
    »Dann rudert ihr zurück und schlagt euch auf einem anderen Weg nach Italien durch«, antwortete Abu Dun ernsthaft. »Und richtet der Person eures besonderen Interesses aus, dass wir uns verspäten! Vielleicht einhundert Jahre. Oder auch zwei.«
    Ali starrte ihn nur an, doch Hasan verdrehte die Augen. Ayla sah den Nubier staunend an, während sie sich noch enger an ihren greisen Ziehvater schmiegte. Hasan hatte nicht nur seinen Mantel um sie geschlungen, sondern auch beide Arme. Trotzdem zitterte sie vor Kälte am ganzen Leib, und ihr Atem stieg als grauer Dampf vor ihrem Gesicht auf.
    »Wartet, bis wir das Zeichen geben«, sagte Abu Dun noch einmal. »Es wird nicht allzu lange

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