Pestmond (German Edition)
Rudern, um den Bug auf die Küste auszurichten. Andrej wagte aufzuatmen, blieb aber angespannt.
Der Assassine ruderte nach Kräften, doch er hatte Mühe, gegen den Sog der Brandung anzukämpfen. Jede Welle, die vom Strand zurückgeworfen wurde, trug ihn nahezu um die gleiche Distanz wieder zurück, die er dem Meer zuvor abgerungen hatte, und selbst das gelang ihm offensichtlich nur, weil es sich um einen außergewöhnlich kräftigen Mann handelte. Aber nicht einmal die Kräfte eines Assassinen waren grenzenlos.
Ali musste wohl zu demselben Schluss gekommen sein, denn er befahl auch dem zweiten Krieger mit einem knappen Wink, seinem Kameraden zu helfen. Sofort watete dieser dem Boot entgegen und hob die Arme, damit sein Kamerad ihm ein Seil zuwerfen konnte. Geschickt fing er es auf, da brach hinter ihm ein verkohlter menschlicher Schädel durch die Wasseroberfläche, verstümmelte Finger krallten sich in seine Schulter und seinen Turban und rissen ihn in einer mehr als meterhohen Explosion aus weißem Schaum so schnell unter Wasser, dass ihm nicht einmal die Zeit für einen Schrei blieb.
Ayla kreischte vor Entsetzen schrill auf, und Ali stieß einen kaum weniger lauten Fluch aus und schleuderte seinen Dolch, der jedoch in der kochenden Gischt verschwand, ohne irgendeine Wirkung zu zeigen. Andrej stürmte los, war mit zwei oder drei gewaltigen Sätzen in der Brandung und griff zu. Er konnte nur hoffen, dass er den richtigen der beiden Schemen ergriff, die unmittelbar vor ihm unter der Wasseroberfläche miteinander rangen.
Wie sich zeigte, wäre es auf jeden Fall der falsche gewesen.
Andrej bekam etwas zu fassen, das sich unter seinem Griff wand und zappelte, riss es mit beiden Händen aus dem Wasser und schleuderte die Gestalt in hohem Bogen auf den Strand zurück. Etwas grub sich in seinen linken Knöchel, sodass er nach hinten kippte und das Gleichgewicht verlor. Heftiger Schmerz durchzuckte ihn, als der Untote mit aller Kraft an seinem Bein riss, sodass er endgültig fiel und Wasser schluckte, statt aufzuschreien.
Für den Bruchteil einer Sekunde drohte er in Panik zu geraten. Nicht einmal er konnte Wasser atmen. Dann riss er sich zusammen, warf sich mit einer zornigen Bewegung herum, um seinen Angreifer auf diese Weise gleich abzuschütteln. Doch etwas hielt ihn fest, schmale, aber unglaublich starke Hände, deren Kraft es durchaus mit seiner eigenen aufnehmen konnte. Auch der Schmerz in seinem Knöchel wurde schlimmer, als hätte sich das Blut in seinen Adern in Säure verwandelt, die ihn nun von innen heraus zerfraß.
Er wollte schreien, schluckte abermals salziges Wasser und spürte, wie sich sein Kehlkopf zu verkrampfen begann, um das Eindringen von Wasser in seine Lungen zu verhindern. Der Panik noch einmal näher als vor einer Sekunde mobilisierte er seine ganze gewaltige Kraft, sprang hoch und katapultierte sich den halben Weg zum Strand zurück. Doch der Angreifer hing noch immer an seinem Bein. Die Zähne der Kreatur hatten sich tief ins Fleisch seines Fußes gegraben.
Andrej verdarb ihm den Spaß, indem er ihm hart genug mit dem anderen Fuß ins Gesicht trat, um es nachhaltig umzugestalten. Etliche Zähne des Ungeheuers brachen ab und verschwanden in der Gischt, und sein Unterkiefer sah mit einem Male sonderbar verdreht aus.
Scharfkantige Knochensplitter gruben sich tiefer in sein Fleisch. Andrej schrie in purer Agonie auf.
Sich mit beiden Händen in den nassen Sand krallend zog er sich weiter den Strand hinauf und landete einen zweiten und dritten Treffer am Schädel der Kreatur, mit denen er ihr Schläfe und Jochbein zertrümmerte, was selbst dieses Geschöpf hätte ausschalten sollen. Sein Gesicht hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Menschen, der er noch vor wenigen Minuten gewesen war. Etwas geschah mit ihm. Andrej wusste nicht, was, aber es machte ihm Angst.
Ein vierter und womöglich noch härterer Tritt nahm dem Untoten rein physisch die Möglichkeit, sich noch tiefer in sein Fleisch hineinzufressen, indem er ihm endgültig den Kiefer brach und auch noch die letzten Muskelverbindungen durchtrennte. Andrej zielte noch einmal nach seiner Schläfe, wurde mit einem gleich zweifachen hellen Knacken belohnt und sah wie durch einen roten Nebel, wie die Gliedmaßen des Angreifers erschlafften und sich sein Blut mit der Brandung vermischte.
Doch der Schmerz in seinem Knöchel klang nicht ab, sondern wurde noch schlimmer. Etwas … griff auf einer unsichtbaren und tieferen Ebene nach ihm,
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