Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Eaton fiel direkt vor mein Pferd. Ich versuchte, ihm auszuweichen, doch die Hufe erwischten ihn.
Ich sprang ab. Er lag vollkommen reglos und blutete an der Stirn. Seine Jacke war am Rücken zerrissen, Blut sickerte hindurch. Eine Reihe von Schüssen fiel, einer streifte einen Baum in der Nähe. Ich beugte mich über ihn, spürte seinen Atem auf meiner Wange und zerrte ihn mühsam in den Schutz eines Baumes. Eatons schwarzer Wallach war durchgegangen und von zwei Cavalieren eingefangen worden, die darüber in Streit gerieten. Die anderen beiden konnte ich nicht sehen, aber als ich es geschafft hatte, Eaton hinter den Baum zu ziehen, fielen weitere Schüsse in der Nähe meines Pferdes.
Eaton öffnete die Augen. »Lasst mich hier! Überlasst Ihnen Euer Pferd und rennt, was Ihr könnt!«
Ich kroch zurück, um sein Bündel zu holen, und ein weiterer Schuss krachte. Entweder luden sie ihre Waffen unglaublich schnell nach, oder es hatten sich noch weitere Cavaliere zu ihnen gesellt. Eatons Bündel war bei seinem Sturz aufgegangen, und ich zog sein zweites Hemd heraus. Er versuchte sich aufzurichten und erneut zu protestieren, keuchte indes vor Schmerz auf und sank zurück. Ich drehte ihn um, riss den Rücken der Jacke mit meinem Messer auf und zuckte beim Anblick der Wunde zusammen. Unablässig sickerte Blut daraus hervor. So fest ich konnte stopfte ich das Hemd darauf und drehte ihn wieder auf den Rücken, damit sein Gewicht half, die Blutung zu stillen. Sein Blick begann glasig zu werden, wie bei einem Toten, und ich konnte meine Schluchzer nicht unterdrücken, als ich mich neben ihn kniete und daran dachte, dass ich einst alles dafür gegeben hätte, ihn tot zu sehen. Jetzt hingegen würde ich alles dafür geben, dass er am Leben blieb. Ich betete zu Unserem Vater, wenn man es denn ein Gebet nennen konnte, denn die Worte blieben mir im Halse stecken.
Das Gebet brachte etwas Leben in seinen Blick zurück, doch ich fürchte, nicht in seine Seele, denn es war ein wütender Lebensfunke. »Lasst das! Lasst mich sterben! Es ist besser für Euch! Geht!«
Er stieß mich fort. Ich verlor das Gleichgewicht, und als ich mich wieder aufrappelte, sah ich eine Bewegung zwischen den Bäumen. Einer der Cavaliere stürzte zu einem Baum nicht weit von mir entfernt. Eatons Hand schwebte zitternd über seinem Leib, als versuchte er immer noch kraftlos, mich fortzustoßen. Durch die letzte Baumreihe konnte ich den Springbrunnen sehen, durch den die Wandpfeiler des Hauses in der Luft zu flimmern schienen. Er hatte recht. Ich konnte das Pferd zurücklassen und durch die Bäume entwischen. Doch stattdessen war es, als hätte er mich mit seiner unbeteiligten, bitteren Wut auf das Leben angesteckt. Ich hob das Steinschlossgewehr auf und schlängelte mich hinter Eaton entlang, der jetzt vollkommen still war. Wie tot lag ich da und benutzte Eaton als bequeme Stütze für die Pistole. Als der Cavalier losrannte, wartete ich, wie Eaton es getan hatte, und schoss ihn mit einem Teil seiner kalten Wut nieder.
Als ich beobachtete, wie er fiel, hörte ich ein Geräusch hinter mir und drehte mich um, doch es war zu spät, um dem auf meinen Kopf niedersausenden Pistolengriff auszuweichen.
28. Kapitel
Der Himmel hatte sich wundersamerweise in ein schmerzhaftes Blau verwandelt, über den perfekt geformte weiße Wolken glitten. Neun Musen ritten auf den Wolken, die von Putten mit rosigen, fetten Wangen weggepustet wurden. Diese wurden ihrerseits von Ziegen gejagt. Ziegen im Himmel? Eine von ihnen schien eine Wolke zu fressen, feine Wedel davon klebten in ihrem Bart. Ich hörte sie schmatzen, die Hufe klapperten über den Himmel, als sie sich ein weiteres Stück Wolke nahm. Überraschenderweise gab es im Himmel Schmerz. Das Licht war so hell, dass ich gezwungen war, meine Augen zu schließen. Mühsam drehte ich mich um, stellte fest, dass ich tatsächlich noch einen Leib besaß, wenngleich er hauptsächlich aus Striemen zu bestehen schien.
Das glich eher dem Fegefeuer, mit quälenden flüchtigen Blicken auf den Himmel. Ja, ich schwebte zwischen zwei Orten, denn ich hörte die Hufe und roch den Gestank der Ziege, als sie sich über mich beugte.
»Tom … Tom …«
Ich öffnete die Augen einen Spalt und ergriff den Bart der Ziege.
»Er ist echt!«
Die Ziege hatte sich in Will verwandelt. Der Himmel kippte, Putten und Ziegen stürzten auf mich zu, richteten sich selbst wieder auf, als ich gnädigerweise aus dem blendenden Sonnenlicht der Fenster
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