Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
mit ihm angestellt?«
»Ich? Nichts.«
»Er schimpft unaufhörlich über dich. Wer hat ihm das Hemd in die Wunde gestopft?«
»Ich. Tut mir leid. War das falsch?«
»Es war eine Heidenarbeit, es wieder abzukriegen, aber wahrscheinlich hast du ihm damit das Leben gerettet.« Er kratzte sich am Kopf. »Deshalb verstehe ich nicht, warum er so wütend auf dich ist.«
29. Kapitel
Highpoint hatte sich in zwei Welten aufgeteilt. Während des Kampfes waren die meisten Bediensteten geflohen. Die Soldaten hielten das Erdgeschoss besetzt, während der erste Stock, der nahezu unberührt geblieben war, von der Gehilfin der Haushälterin besorgt wurde. Sie war, wie Will mir erzählte, eine ruhige Frau, doch sie war fromm bis zum Dorthinaus, und die Soldaten wagten sich nicht nach oben, um ihr nicht über den Weg zu laufen. Meistens kümmerte sie sich um die eigentliche Haushälterin, die schwerkranke Mrs Morland – Janes Mutter. Sie war oben geblieben und hatte ihre Patientin gepflegt, während die Soldaten auf der nahegelegenen Galerie schossen. Soldatengeschichten wuchsen beim Erzählen wie Berichte auf Flugblättern, und es gab bereits die Legende, dass sie während des Feuers hinaus auf die Galerie trat, die Soldaten wegen ihrer Flüche tadelte und ihnen anschließend aus der Bibel vorlas.
Eatons Zustand verschlechterte sich, sein Fieber stieg. Ben weigerte sich, mich zu ihm zu lassen, und so beschloss ich, dass ich allein Matthews Spur wieder aufnehmen und den Anhänger aufspüren würde. Ich fand das Bündel, das ich im Wald verloren hatte. Der Inhalt war größtenteils verschwunden, aber der Brief, den ich für Jane an ihre Mutter geschrieben hatte, war immer noch da. Ich beschloss, Mutter Predigerin, wie die Soldaten die ihren Dienst versehende Frau nannten, zu trotzen, sowohl, um mein Versprechen, das ich Jane gegeben hatte, einzulösen, als auch in der Hoffnung, herauszufinden, was in diesem Haus geschehen war, als ich geboren wurde.
Oben schritt ich durch ein Labyrinth aus leeren, hallenden Korridoren, in denen ich niemandem begegnete, und blieb wie gelähmt stehen, als ich zu einem riesigen Raum kam. Nie zuvor hatte ich solch eine Bibliothek gesehen. Inmitten der Regale voller unschätzbar wertvoller Bücher hing ein Porträt von Lord Stonehouse mit verträumtem Blick. Seine Finger ruhten auf einem Buch, bei dem es sich, wie ich bei näherer Betrachtung feststellte, um Machiavellis Der Fürst handelte. Auf einem Schriftband über den Regalen stand gemalt: Homo doctus in se semper divitias habet – Ein gebildeter Mensch hat immer Reichtum in sich.
Und Macht, dachte ich, symbolisiert durch das Buch in dem Gemälde. Woher sonst stammte der Reichtum, um sich die Bildung zu erkaufen? Hier gab es Hunderte von Büchern, und jedes einzelne kostete so viel, wie ein Tagelöhner in mehreren Jahren verdiente.
Irgendwo wurde eine Tür geöffnet und geschlossen. Ich rannte hinaus auf den Korridor, sah indes niemanden. Ich ging einen anderen Gang entlang, in dem flämische Gemälde der Jahreszeiten hingen. Am Ende befanden sich zwei Doppeltüren, zu denen es mich hinzog. Ich brauchte das Porträt von Frances Stonehouse nicht zu sehen, um zu wissen, dass es ihr Schlafzimmer war. Gegenüber ihrem Bild hing eines von James I. Der Raum war makellos sauber, doch die Eichenmöbel besaßen eine düstere, brütende Schwere, die einer vergangenen Ära angehörte. Ein verblichener, zerschlissener Teppich bedeckte einen Tisch. Halbabgebrannte Kerzen, in den Haltern versteinert, waren genau so belassen worden, wie sie ausgelöscht worden waren, nachdem Frances gestorben war. In diesem Raum hatte Charles, dessen Volk im Begriff war, einander zu bekämpfen, den Thron noch nicht bestiegen. Alles hier drin war vor mehr als zwanzig Jahren zum Stillstand gekommen.
Nicht alles.
Mein Herz pochte schmerzhaft, als ich mich selbst anstarrte. Es war das Porträt eines Jungen, den ich nie zuvor gesehen hatte, obwohl es mich zeigte. Mich, wie ich an jenem Morgen mit einer Nachricht von Mr Black zum Rathaus gelaufen war und ein scheinbar gelangweilter Maler, Peter Lely, mich gebeten hatte, ein paar beiläufige Skizzen von mir machen zu dürfen. Doch ich war kein dreckiger, ungepflegter Lehrjunge, der vor Aufregung grinste, weil er gezeichnet wurde. Genau wie Mr Pym es beschrieben hatte, war ich elegant gekleidet, mit einem Hund zu meinen Füßen und Highpoint House im Hintergrund.
Lely hatte mein Grinsen eingefangen, aber er hatte es in
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