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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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schlossen sich ihre Finger wieder um meinen Arm.
    »Wart Ihr dabei?«, fragte ich sie.
    Die Erinnerung schien ihr frische Kraft zu geben, und sie sprach nun lauter weiter: »Natürlich war ich dabei! Was meint Ihr, wozu Schlüssellöcher gut sind – für Schlüssel?«
    Sie hustete vor Lachen über ihren eigenen Witz, rang erneut nach Atem, um schließlich noch eindringlicher fortzufahren. »Sie stand einfach da. Mir erging es nicht anders, das kann ich Euch sagen!«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie lachte.«
    »Sie hat gelacht?«
    Mrs Morland setzte sich auf. »Die Hure lachte! ›Ihr versteht nicht‹, sagte er. ›Ich bitte Euch, mich zu heiraten.‹ ›Darum bin ich gekommen, um mit Euch darüber zu sprechen, Mylord‹, sagte sie. Unverschämt! Genau das war sie! Ich dachte, das Ende der Welt würde kommen. Und es kam. Für sie.«
    Sie bewegte hektisch den Kopf, als versuchte sie durch ein Schlüsselloch zu schauen.
    »Konnte sie nicht sehen. Dreimal die Glocke. Das galt mir. Dreimal für Mrs Morland für Ärger im Haus, zweimal für Mr Eaton für Ärger draußen. ›Die Dame ist ohnmächtig geworden‹, sagte er. Ohnmächtig! Ich konnte den Schädel spüren, als ich ihr meine Hand reinschob … verzeiht meine Sprache, Mr Richard, aber ich weiß, dass Ihr ein Mann von Welt seid. ›Die Dame erwartet ein Kind, Mylord‹, sagte ich. Er wurde weiß wie dieses Laken! Ich übernahm das Kommando. Er hatte sich selbst schon genug zum Narren gemacht, indem er den Bastard gezeugt hatte. Und das hier war Frauensache.«
    »Woher wisst Ihr, dass ich … es sein Kind war?«
    »Natürlich war der Bastard von ihm! Er war schließlich den ganzen Sommer hinter ihr her gewesen, oder etwa nicht? Wenn Eaton seine Aufgabe ordentlich erledigt hätte, würdet Ihr jetzt nicht in solchen Schwierigkeiten stecken – aber Ihr werdet Euch um ihn kümmern, Mr Richard, das werdet Ihr doch … Ihr seid zurückgekommen, ganz wie Ihr gesagt habt, damit Ihr Euch um ihn kümmert …« Ihre Stimme flackerte wie eine verlöschende Kerze. Sie lehnte sich in das Kissen zurück, und die strengen Linien ihres Gesichts entspannten sich, als hätte sie all ihre Sünden gebeichtet und hätte so ihren Frieden mit der Welt geschlossen. »Übel und Schande von diesem Haus fernhalten. Mehr … wollte ich … nie.«

30. Kapitel
    Die kalte, rohe Grausamkeit von Mrs Morlands Schilderung traf mich und ließ mich wie betäubt zurück. Alle anderen Personen konnte ich mir vorstellen, doch obwohl sie in so grellen Farben gezeichnet wurde, blieb meine Mutter, Margaret Pearce, eine schemenhafte Gestalt. Trotz allem, was Mrs Morland gesagt hatte, war es schwer zu glauben, dass Lord Stonehouse mein Vater war. Meine bevorstehende Geburt schien ein Schock für ihn gewesen zu sein. Eaton hatte mir erzählt, dass Kate ihn um den Namen eines Pfarrers gebeten hatte, der heimlich eine Ehe schließen würde. Der Besuch meiner Mutter bei Lord Stonehouse hatte gewiss etwas damit zu tun. Was für ein Narr war ich gewesen! Die ganze Zeit hatte ich nach meinem Vater gesucht, dabei lag der Schlüssel zu allem mit Sicherheit bei meiner Mutter. Ich beschloss, auf der Stelle noch einmal mit Kate zu sprechen, doch in dieser Nacht starb Mrs Morland.
    Jetzt, nachdem sie scheinbar Richard gegenüber ihre Seele erleichtert hatte, blieb ihr im Leben nichts weiter zu tun. Und es sah aus, als würde Eaton ihr in Kürze folgen. Ben war ausnahmsweise einmal kein Trost, ganz im Gegenteil. Normalerweise zeigte er gleichermaßen Interesse am Patienten wie an der Krankheit; in diesem Fall wurde er von Eaton abgewiesen, entwickelte jedoch eine, wie ich fand, makabre Faszination für die Krankheit, die er als Erkrankung der Seele beschrieb.
    »Sieh dir die Wunde an«, sagte er zu mir, als unterrichte er einen Schüler. »Sie ist fast verheilt. Aber die Körpersäfte sind so aus dem Gleichgewicht, dass sie an anderer Stelle hervorbrechen.« Er deutete auf die Narbe, aus der gelber Eiter sickerte, und machte eine Notiz in seinem Kollektaneenbuch, das er jeden Tag auf den neuesten Stand brachte. Er hatte eine Zeichnung von der Narbe angefertigt, welche, wie er sagte, interessanterweise in den letzten zwei Tagen an Größe gewonnen hatte. Er schloss das Buch. »Er will weder essen noch trinken. Er hat noch einen Tag, vielleicht zwei. Es tut mir leid, dass ich ihn nicht auf seinem letzten Weg begleiten kann.«
    »Warum nicht?«
    »Hast du es nicht gehört? Wir brechen auf.«
    Tatsächlich.

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