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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Kleinigkeit.
    »Deine Uniform«, sagt er vor der Tür. »Wir tragen Uniform.«
    Im Schrank liegen blaue Hosen, die zu groß sind, blaue T-Shirts, die zu groß sind, ein blauer Kittel, der zu groß ist und unförmig wie ein Mehlsack, und eine blaue Wolljacke. Ganz unten stehen kurzschäftige Gummistiefel, in denen man noch wachsen kann. Mindestens fünf bis sechs Nummern, wenn ich sie ausfüllen soll.
    Jakkelsen wartet draußen auf mich. Er mustert mich über seine Zigarette hinweg, sagt aber nichts. Seine Finger trommeln gegen das Schott, er strahlt eine neue Rastlosigkeit aus. Er geht voraus.
    Am Ende des Flurs biegt er links zur Treppe ab, die zu den Oberdecks führt. Doch ich gehe nach rechts, auf Deck hinaus, und er muß mir folgen.
    Ich stelle mich an die Reling. Die Luft trieft vor eisiger Nässe, der Wind ist stark und böig. Doch schräg voraus ist Licht zu sehen.
    »Helsingör-Helsingborg. Das am dichtesten befahrene Gewässer der Welt, verstehste. Sundbusse, DSB-Fähren, Riesenjachthafen, Containerverkehr. Alle drei Minuten geht ein Schiff quer rüber. Es gibt nirgends so was wie das hier. Die Straße von Messina, verstehste, da bin ich schon oft gewesen, die ist gar nichts. Das hier, das ist wirklich was. Und bei solchem Wetter ist der Radar gestört. Dann ist es, als würde man ein U-Boot durch Buttermilchsuppe steuern.«
    Seine Finger trommeln nervös auf das Geländer, doch seine Augen starren fast begeistert in die Nacht.
    »Wir sind hier durchgekommen, als ich auf der Seefahrtsschule war. Auf einem Vollrigger. Sonne, Schloß Kronborg an Backbord, und die kleinen Mädchen im Jachthafen, die wurden unruhig, wenn sie uns sahen, verstehste.«
    Ich gehe voran. Wir steigen drei Treppen höher und kommen zur Navigationsbrücke. Rechts von der Treppe liegt hinter zwei großen Glasscheiben der Kartenraum. Er ist dunkel, doch über den ausgebreiteten Seekarten glühen schwache, rote Birnen. Wir betreten den Kommandoraum.
    Der Raum ist verdunkelt. Unter uns erstreckt sich im Schein einer einsamen Decklampe das Deck der Kronos, fünfundsiebzig Meter in die Nacht hinaus. Zwei sechzig Fuß hohe Masten mit schweren Ladebäumen. An jedem Mast vier Ladespille, beim Aufgang zu dem kurzen, erhöhten Vorderdeck ein Kontrollverschlag für die Spille. Zwischen den Masten auf Deck unter einer Persenning eine rechteckige Kontur, mehrere kleine, blaue Gestalten sind damit beschäftigt, lange Gummiquerriemen zu sichern. Vielleicht das LMC, das ausrangierte Landefahrzeug der Marine. Auf dem Vorderdeck eine große Ankerwinde und über einem Laderaum eine vierteilige Luke. An der Reling alle dreißig Fuß ein weißer, aufrechter Scheinwerfer. Außerdem Feuerlöschhähne, Schaumlöscher, Rettungsgerät. Sonst nichts. Das Deck ist geräumt, seeklar, ordentlich.
    Und jetzt auch verlassen. Während ich noch zuschaue, sind die blauen Gestalten verschwunden. Das Licht geht aus, das Deck entschwindet. Weit vorn, wo der Steven in den Seen stampft, entstehen plötzliche, weiße Protuberanzen aus zerstäubtem Wasser. Auf beiden Seiten des Schiffes schieben sich überraschend dicht die Lichter der Küsten heran. Unmittelbar vor und hinter uns kreuzen die kleinen Fähren. Im Regen läßt das gelbe Scheinwerferlicht Kronborg aussehen wie ein trostloses modernes Gefängnis. Aus der Dunkelheit des Raumes treten zwei grüne, langsam rotierende Radarbilder hervor. Ein roter Punkt aus mattem Licht in einem großen Schwimmkompaß. Mitten vor dem Fenster, die eine Hand am manuellen Steuerrad, steht eine Gestalt, die uns halb den Rücken zukehrt. Es ist Kapitän Sigmund Lukas. Hinter ihm eine gerade, unbewegliche Person. Neben mir wippt Jakkelsen ruhelos auf den Fußballen.
    »Sie können gehen.«
    Lukas hat leise gesprochen, ohne sich umzuwenden. Die Gestalt hinter ihm gleitet zur Tür hinaus, Jakkelsen dicht hinter ihr. Einen Moment lang ist die Widerwilligkeit aus seinen Bewegungen gewichen. Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit, aus dem Nichts treten die Instrumente hervor, von denen ich einige kenne, andere nicht, für die jedoch allesamt gilt, daß ich mich immer weit davon weggehalten habe, weil sie aufs offene Wasser gehören. Und weil sie für mich eine Kultur symbolisieren, die zwischen sich und dem Versuch, herauszubekommen, wo man sich befindet, eine Schicht aus Leblosigkeit eingeschoben hat.
    Die Flüssigkristalle auf dem SATNAV-Computer, das Kurzwellenradio, Konsolen für LORAN C, ein Funkpeilsystem, das ich nie verstanden

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