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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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an zwei Stellen ein und mache einen Riß in die Leinwand.
    Angesichts der Schwellen könnte man auf die Idee kommen, daß wir vielleicht auf dem Weg nach Grönland sind, um dort fünfundsiebzig Meter Geleise zu verlegen und eine Eisenbahngesellschaft zu gründen. Unter der Persenning liegt ein Stapel Eisenbahnschienen.
    Man könnte sie allerdings nicht an den Schwellen festmachen. Sie sind zu einer großen quadratischen Konstruktion mit einem Bodenrahmen aus Winkeleisen verschweißt.
    Das erinnert mich an etwas. Dann lasse ich den Gedanken fallen. Ich bin siebenunddreißig. Mit dem Alter erinnert alles mögliche an alles mögliche andere.
    Auf dem Zwischendeck schaue ich auf den Wecker. Jetzt muß die Wäsche durchgelaufen sein. Vielleicht hat man nach mir gerufen. Es kann jemand vorbeigekommen sein.
    Ich gehe weiter nach hinten.
    Die Vibrationen des Schiffskörpers sagen mir, daß die Schraube irgendwo schräg unter meinen Füßen sein muß. Nach meiner Zeichnung ungefähr fünfzehn Meter. Hier endet das Deck an einem Schott mit einer Tür. Zu der Jakkelsens Schlüssel paßt. Hinter der Tür ist eine rote Nachtbeleuchtung mit einem Schalter. Ich mache das Licht nicht an. Ich befinde mich auf der Etage unter dem niedrigen Achteraufbau, die, seit ich an Bord bin, abgeschlossen ist.
    Die Luke führt zu einem kurzen Gang mit drei Türen auf jeder Seite. Der Schlüssel öffnet die erste rechts. Peder Most und seinen Freunden bleibt keine Tür verschlossen.
    Ein Teil des Raumes ist vor noch nicht allzu langer Zeit eine von drei kleineren Kajüten auf der Backbordseite gewesen. Jetzt sind die Zwischenwände herausgerissen, so daß sie einen Raum bilden. Ein Magazin. An den Wänden stehen Rollen mit blauer 60-Millimeter-Nylontrosse. Geflochtene Polypropylentaue. Acht Satz 8-Millimeter-Kernmantel-Doppeltau in leuchtenden, alpinen Sicherheitsfarben, alte Bekannte vom Inlandeis. Jeder Satz kostet fünftausend Kronen, hat eine Zugstärke von fünf Tonnen und kann sich als einziges Tau der Welt um fünfundzwanzig Prozent seiner Länge dehnen.
    Unter Stropps liegen Aluminiumleitern, Firnanker, Zelte, Leichtgewichtstiefel und Schlafsäcke. An in die Wand eingeschraubten Metallhaltern hängen Eispickel, Kletterhämmer, Felshaken, Mauerhaken, dynamische Bremsen und Eisschrauben, die schmalen, die aussehen wie Korkenzieher, und die breiten, in die man einen Eiszylinder einschraubt. Sie können einen Elefanten halten.
    Hinter einigen aufs Geratewohl geöffneten Türen liegen in Metallschränken an der Wand Klemmkeile, Gletscherbrillen, eine Kiste mit sechs Tommen-Höhenmessern, Rucksäcke ohne Gestell, Mendlstiefel, Sturzleinen, alles fabrikneu und in durchsichtigem Kunststoff verpackt.
    Auch auf der Steuerbordseite ist durch die Zusammenlegung von drei Kajüten ein größerer Raum entstanden. Hier gibt es noch mehr Leitern und Taue und einen Feuerschrank mit der Aufschrift ›Explosives‹, den man mit Jakkelsens Schlüssel leider nicht öffnen kann. In drei großen Pappkartons liegen drei Stücke dänischer Qualitätsarbeit, drei identische 20-Zoll- Manual-winches von Sophus Berendsen, handbetriebene Spille mit drei Gängen. Ich weiß nicht viel über mechanische Übersetzungen. Aber sie sind so groß wie Fässer und sehen aus, als könnten sie eine Lokomotive heben. Ich schreite den Gang ab: An seinem Ende führt eine Treppe auf Deckniveau. Dort sind eine Toilette, ein Malerraum, eine Metallwerkstatt und eine kleine Messe, die bei Decksarbeiten als Aufenthaltsraum dient. Ich beschließe, die Untersuchung dieser Räume auf ein anderes Mal zu verschieben.
    Dann ändere ich meinen Entschluß.
    Ich habe die Tür, durch die ich gekommen bin, eingehakt. Vielleicht, weil der Gang und die kleinen Räume sonst wie eine Rattenfalle wirken würden. Vielleicht, damit ich sehen kann, wenn hinter mir Licht gemacht wird.
    Auf einmal ein Geräusch. Nicht laut. Ein kleines Geräusch, das im Lärm der Schraube und dem zischenden Gischten des Meeres am Schiffsrumpf fast untergeht.
    Es ist der Klang von Metall auf Metall. Vorsichtig, doch verstärkt durch das harte Echo des Raumes. Ich laufe die Treppe hoch. Um auf das Deck rauszukommen. Oben ist eine Tür. Der Schlüssel läßt die Sperrklinke zurückschnappen, aber die Tür geht nicht auf. Sie ist von außen verschalkt. Ich laufe also zurück.
    In der Dunkelheit des Zwischendecks verziehe ich mich seitwärts, hocke mich hin und warte.
    Sie kommen fast im selben Moment. Es sind mindestens zwei,

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