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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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hinausgeht. Diesmal paßt der Schlüssel.
    Die Tür führt in eine kleine quadratische Diele mit schwarzen und weißen Marmorfliesen und einer hallenden Akustik, egal, wie leise man sich bewegt. Von dort aus führt eine Treppe in die Dunkelheit und das Archiv hinunter und eine andere die fünf Stufen zu dem Niveau hinauf, von dem aus Elsa Lübing fünfundvierzig Jahre lang ihren Einfluß geltend gemacht hat.
    Die Treppe führt zu einer französischen Doppeltür. Dahinter liegt ein großer Raum, der wahrscheinlich die gesamte Fläche dieses Flügels ausfüllt. Der Raum hat sechs Fenster zur Straße hin und acht Schreibtische, Archivschränke, Telefone, Textverarbeitungsanlagen, zwei Fotokopierer und Metallregale mit blauen und roten Plastikordnern. An der einen Wand eine Übersichtskarte von Grönland. Auf einem langen Tisch eine Kaffeemaschine und verschiedene Becher. In der Ecke ein großer elektrischer Safe, dessen kleine Scheibe ein closed in den Raum hinausglüht.
    Ein Schreibtisch steht separat und ist etwas größer als die anderen. Auf dem Tisch liegt eine Glasplatte. Auf der Platte steht ein kleines Kruzifix. Hier gibt es für den Leiter der Buchhaltung kein eigenes Büro. Nur einen Schreibtisch in dem gemeinsamen pool . Wie in der christlichen Urgemeinde.
    Ich setze mich auf ihren hochlehnigen Stuhl. Um zu verstehen, wie es ist, fünfundvierzig Jahre lang zwischen Postpapier und Radiergummis gesessen zu haben, während ein Teil des Bewußtseins sich in eine spirituelle Region aufschwingt, in der ein Licht brennt, und zwar mit einer Stärke, die einen dazu bringen kann, über die irdische Liebe nur freundlich die Achseln zu zucken. Die für uns andere eine Mischung aus dem Dom von Nuuk und der Möglichkeit eines dritten Weltkriegs ist.
    Nach einer Weile stehe ich auf. Ohne schlauer geworden zu sein. Die Fenster haben Jalousien. Das gelbe Licht, das vom Strandboulevard in den Raum fällt, hat Zebrastreifen. Ich gebe das Datum ein, an dem sie Leiterin der Buchhaltung wurde, den 17. Mai 1957.
    Der Schrank summt, die Tür verschiebt sich nach außen. Kein Griff, nur eine breite Rille zum Anfassen, gegen die man sein Gewicht stemmen kann.
    Auf schmalen Metallregalen stehen die Bilanzen der Kryolithgesellschaft. Sie reichen bis ins Jahr 1885 zurück, als die Gesellschaft durch staatliche Konzession von der ›Öresund‹ getrennt wurde. Etwa sechs Bücher für jedes Jahr. Hunderte von Foliobänden in grauem Moleskin mit rotem Aufdruck. Ein Stück Geschichte. Über die politisch und wirtschaftlich ergiebigste und bedeutendste Investition in Grönland.
    Ich nehme einen Band mit der Aufschrift (1991) heraus und blättere aufs Geratewohl darin herum. ›Löhne und Gehälter‹ steht da, ›Pensionen‹, ›Hafengebühren‹, ›Arbeitszulagen‹, ›Unterkunft und Verpflegung‹, ›Kraftfahrzeugsteuern‹, ›Wäsche und Reinigung‹, ›Reisekosten‹, ›Aktionärsdividende‹, ›Zahlungen an Struers chemisches Laboratorium‹.
    Rechts an der Schrankwand hängen verschiedene Reihen von Schlüsseln übereinander. Ich suche den, auf dem ›Archiv‹ steht.
    Als ich die Safetür zuschiebe, verschwinden die Zahlen nacheinander, und als ich den Raum verlasse und in die Dunkelheit hinuntergehe, steht da erneut closed auf der Scheibe.
    Der erste Raum des Kellerarchivs nimmt eine Längsseite des Gebäudes ein. Ein niedriger Raum mit endlosen Holzregalen, endlosen Mengen von Konzeptpapier in braunen Packpapierumschlägen und mit einer Papierwüstenluft, die müde macht und bar jeder Feuchtigkeit ist.
    Der zweite Raum schließt sich im rechten Winkel an den ersten an. Er hat die gleichen Regale. Außerdem aber auch noch Archivschränke mit flachen Schubladen für Meßtischblätter. Ein Hängearchiv mit wiederum Hunderten von Karten, einige davon in Messingrohren. Eine verschlossene Holzkonstruktion, wie ein zehn Meter langer Sarg. Hier dürften wohl die Bohrkerne schlafen.
    Der Raum hat unter der Decke zwei Fenster zum Strandboulevard und vier zum Fabrikgelände hin. Nun kommt meine Vorarbeit mit den Plastiksäcken zum Zug. Ich werde die Scheiben abdecken, damit ich Licht machen kann.
    Es gibt Frauen, die streichen ihre attraktive Dachwohnung selber. Polstern ihre Möbel neu. Sandstrahlen ihre Fassaden.
    Ich habe immer einen Handwerker angerufen. Oder alles bis zum nächsten Jahr liegenlassen.
    Es sind große Fenster, innen mit Eisenstäben. Ich brauche eine Dreiviertelstunde, um die sechs Fenster zu verdunkeln.
    Als ich

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