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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Konditorei mit einem Kran an den Hof geliefert hat, sie haben einen Durchmesser von einem Meter. Auf halber Treppe sind besonders unvergeßliche Sahnekuchen ausgestellt, die aussehen, als hätte man sie mit Haarspray fixiert und nun für ewige Zeiten so stehenlassen. An der Eingangstür wacht das lebensgroße Zartbitterschokoladen-Modell des Boxers Ayub Kalule, das hergestellt wurde, als er Europameister wurde, und drinnen steht ein langer Tisch mit Kuchen, die aussehen, als könnten sie alles, nur nicht fliegen.
    Die Decke ist mit Schlagsahne aus Stuck und verschiedenen Kandelabern dekoriert, auf dem Boden liegt ein Teppich, der dick und schwammig ist und die gleiche Farbe hat wie ein sherrygetränkter Tortenboden. An kleinen, weißgedeckten Tischchen sitzen vornehme Damen und helfen dem zweiten Stück Sachertorte mit Halblitertassen heißer Schokolade hinunter. Um das Warten auf die Rechnung zu versüßen und die Furcht vor der Begegnung mit der Waage zu mildern, sitzt ein Pianist mit Toupet auf einer Empore und spielt ein zerstreutes Mozartpotpourri, das geradezu schlampig wird, als er gleichzeitig dem Mechaniker zuzuzwinkern versucht.
    In einer Ecke, ganz allein, sitzt Benedicte Clahn.
    Manche Menschen scheinen mit ihrer Stimme nicht zusammenzuhängen. Ich erinnere mich noch an meine Überraschung, als ich das erstemal Ulloriannguaq Christiansen gegenüberstand, der zwanzig Jahre lang Nachrichtensprecher beim grönländischen Rundfunk war. Der Stimme nach hatte ich einen Gott erwartet. Es zeigte sich, daß er nur ein Mensch war, eine Spur größer als ich.
    Bei anderen dagegen spiegeln Stimme und Aussehen einander so genau, daß man sie wiedererkennt, wenn man sie sieht, auch wenn man sie nur einmal hat reden hören. Ich habe mit Benedicte Clahn nur eine Minute telefoniert, aber ich weiß, daß sie es ist. Sie trägt ein blaues Kostüm, sie hat ihren Hut aufbehalten, sie trinkt Mineralwasser, und sie ist schön und nervös und unberechenbar wie ein Rassepferd. Sie ist Mitte Sechzig, hat lange rotbraune Haare, die sie zum Teil unter dem Hut hochgesteckt hat. Sie sitzt aufrecht, ist blaß, hat ein aggressives Kinn und vibrierende Nasenlöcher. Wenn ich je einen komplizierten Menschen gesehen habe, dann sie.
    Die Zeit, die es braucht, um den Raum zu durchqueren, ist alles, was mir bleibt, um ein paar entscheidende Entschlüsse zu fassen.
    Vor ein paar Stunden habe ich sie aus einer Telefonzelle am S-Bahnhof Enghave angerufen. Ihre Stimme ist tief, heiser, fast träge. Doch unter der Ruhe meine ich einen Blasebalg spüren zu können. Oder ich höre eine Fata Morgana. Nach einer Stunde am Liegeplatz 126 traue ich meinem Gehör nicht mehr.
    Als ich erzähle, daß ich mich für ihre Arbeit 1946 in Berlin interessiere, sagt sie dezidiert nein.
    »Davon kann überhaupt keine Rede sein. Das ist völlig ausgeschlossen. Es handelt sich immerhin um Militärgeheimnisse . Im übrigen war das in Hamburg.«
    Sie ist sehr entschieden. Zugleich aber ist ein Anflug stramm gezügelter Neugierde zu spüren.
    »Ich bin von der Svanemøllekaserne«, sage ich. »Wir machen gerade eine Gedenkschrift über die dänische Beteiligung am Zweiten Weltkrieg.«
    Sie macht eine totale Kehrtwende.
    »Tatsächlich? Sie rufen also von der Kaserne aus an. Sind Sie vielleicht vom Lottekorps, von den Heereshelferinnen?«
    »Ich bin Historikerin. Ich redigiere die Gedenkschrift für das historische Archiv des Militärs.«
    »Tatsächlich! Eine Frau! Das freut mich. Aber ich muß wohl erst mit meinem Vater darüber reden. Kennen Sie meinen Vater?«
    Ich habe nicht die Ehre. Und wenn ich es noch schaffen will, muß ich mich beeilen. Ich rechne aus, daß er um die Neunzig sein muß. Doch das sage ich nicht laut.
    »General August Clahn«, sagt sie.
    »Wir hätten gern, daß diese Schrift eine Überraschung bleibt.«
    Das versteht sie voll und ganz.
    »Wann wäre es Ihnen möglich, mit mir zu sprechen?«
    »Das wird schwer werden«, sagt sie. »Ich muß in meinem Kalender nachschauen.«
    Ich warte. In der Stahlwand der Telefonzelle sehe ich mein Spiegelbild. Es zeigt eine große Pelzmütze und darunter dunkle Haare. Von den Haaren eingerahmt ein verschmitztes Grinsen.
    »Vielleicht kann ich mich heute nachmittag einen Moment freimachen.«
     
    Daran erinnere ich mich auf dem Weg durch die Konditorei. Während ich sie anschaue. Die Tochter eines Generals. Eine Freundin des Militärs. Aber auch eine heisere Stimme. Die Art und Weise, wie sie den Mechaniker

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