Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
der linken Seite reihten sich jeweils wuchtige Eisentüren - jedoch alle versperrt.
»Dort vorne …« Hogarts Stimme hallte merkwürdig hohl von den Wänden wider. Er deutete mit der Waffe auf eine grüne Blechtür am Ende des Korridors. Sie bedeutete die einzige Möglichkeit, weiter in den Keller vorzudringen, und sie war anscheinend nur angelehnt.
Hogart zog den Schlitten der Pistole zurück. Die erste Patrone wurde in die Kammer geladen. Nun war die Waffe scharf. Vorsichtig schob er die Tür mit dem Fuß auf. Die Angeln quietschten so laut, dass ihm das Geräusch wie eine Messerklinge durch den Kopf fuhr. Hogarts Lampenstrahl enthüllte einen großen Raum. Niemand schien sich darin zu befinden.
»Wir sind so unauffällig wie eine Horde Elefanten«, brummte Ondrej. »Falls der Scheißkerl hier war, ist er längst abgehauen.«
»Oder er lauert uns auf«, entgegnete Hogart.
Wassertropfen hingen an der von Rissen durchzogenen Betondecke. Die hohe Luftfeuchtigkeit erinnerte an eine Waschküche und machte den vorherrschenden Schlachthausgestank noch intensiver. Unweigerlich musste Hogart an das Summen von Aasfliegen denken, aber es war nichts zu hören. Was hier unten bereits seit Monaten verweste, hatte bisher noch kein Ungeziefer angezogen.
Während Hogart das Gewölbe betrat, ließ er den Lichtkegel der Lampe kreisen. Zuerst stieß er auf einen Berg aus Mänteln, Jacken, Schals, Geldbörsen, Ausweispapieren und Handtaschen.
Dahinter lag ein roter Trolley auf dem Boden, daneben ein Stapel mit zusammengefalteten weißen und schwarzen Tüchern.
Hogart ging in die Hocke und berührte den Stoff. »Schwarzer Samt.« Er erhob sich, um den Hartschalenkoffer zu beleuchten. Ein Samsonite, mit verbogenem Griff und abgebrochener Rolle. Zweifelsohne befanden sich darin die persönlichen Gegenstände von Alexandra Sendling. Doch darum würde er sich später kümmern.
»He, schau mal dort!« Ondrej leuchtete in den hinteren Teil des Gewölbes.
Hogart erhob sich und ging auf einen kleinen Haufen zu, aus dem verkrümmte Finger ragten. Ihre Schatten bildeten eine gespenstische Form an der Wand, wie ein Spinnennest.
»Hände«, sagte Ondrej gepresst. »Abgeschnittene Hände.«
Hogart ließ den Lichtkegel weiterwandern und ließ ihn auf einem größeren Berg verharren, den jemand in der Ecke errichtet hatte.
»Heilige Scheiße!«, würgte Ondrej hervor.
Als Hogart die ersten verklebten Haarbüschel sah, riss er die Taschenlampe zur Seite. Augenblicklich sank das Gebilde in gnädige Dunkelheit zurück. Der Todesgeruch und die Feuchtigkeit in diesem Loch ergaben eine brechreizerregende Mischung. Ein Krampf erfasste Hogarts Magen. Rasch würgte er den galligen Geschmack hinunter, der aus seiner Speiseröhre aufstieg.
Plötzlich schrillte sein Handy. Beinahe wäre ihm die geladene Waffe aus der Hand gefallen. Scheiße! Er musste unbedingt die Nerven behalten. Hastig zog er das Telefon aus der Manteltasche.
»Wir haben Vesely gefunden!« Es war Ivonas Stimme. »Er lebt.«
»Wo seid ihr?«
Ivona beschrieb ihm den Weg.
»Wir kommen. Seid vorsichtig, möglicherweise ist Micha noch im Gebäude.« Er brach die Verbindung ab und ließ das Gerät wieder in die Manteltasche gleiten.
Ondrej stand vor ihm. Hogart leuchtete dem Riesen für einen Augenblick ins Gesicht, doch der reagierte kaum darauf. Ondrej war so weiß wie eine Gipswand, aus seinen Augen funkelte eine Mischung aus Abscheu und Hass.
»Vesely ist am Leben«, informierte Hogart ihn. »Kommen Sie!«
Sie eilten aus dem Raum, liefen im Korridor zurück und die Treppe hinauf zur Halle. Hogart versuchte sich an Ivonas Beschreibung zu erinnern. Nachdem sie und Jiri die Büros im oberen Stockwerk erfolglos durchsucht hatten, waren sie zur Halle zurückgekehrt, hatten sie durchquert und durch eine Tür den angrenzenden Raum betreten.
Rasch nahmen Hogart und Ondrej denselben Weg bis zu dem offenen Tor. Dahinter weitete sich eine noch größere Lagerhalle. Ihre Rückwand, die man Vor Jahren zur Hälfte getüncht, dann aber die Malerarbeiten anscheinend aufgegeben hatte, war mit Brettern und einem Metallgestell eingerüstet. Sonst befand sich nichts darin. Eine Zwischendecke fehlte. Die Halle reichte bis zur Kuppel hinauf, wo sich das mächtige, von einer dünnen Schneeschicht bedeckte Glasdach in weitem Bogen von einer Wand zur anderen spannte. Teilweise waren die Scheiben gesplittert, durch die Löcher fiel Schnee in die Halle. Das durch die Kuppel schimmernde Mondlicht
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