Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
lassen. An der Ecke lag ein Bordell: das Papousek, das einzige Lokal mit einer Leuchtreklame. Der Papagei oberhalb der Tür blinkte abwechselnd rot, gelb und grün. Samstagabend öffnete das Etablissement bereits um sieben Uhr.
Hogart ging hinein, setzte sich an die Bar, bestellte eine Tasse schwarzen Kaffee und steckte sich eine Zigarette an. Nach nicht einmal einer Minute kamen zwei Frauen zu ihm herüber. Sie sahen aus wie Schwestern, verdammt hübsch - die eine mit einer schwarzen Mähne, die andere mit schulterlangen roten Haaren. Sie waren etwa zwanzig, möglicherweise jünger. Beim Anblick der Rothaarigen in den schwarzen Dessous und den hochhackigen Stöckelschuhen regte sich etwas in Hogarts Hose. Mit einem kurzen Blick erkannte die Frau, was los war. Hier war jemand scharf auf eine Nummer. Lächelnd setzte sie sich zu Hogart an die Bar. Ohne zu fragen nippte sie an seinem Kaffee.
»Hallo, mein Großer. So früh schon unterwegs?«, fragte sie ihn auf Englisch.
Einen Moment lang überlegte Hogart, seinen Auftrag für eine Stunde zu vergessen. Schon seit einem halben Jahr hatte er mit keiner Frau mehr geschlafen, und diese Kleine würde ihn in eine andere Dimension katapultieren … wie das erste Mal mit Eva … und plötzlich sah er sie vor sich.
»Was ist?«, fragte die Rothaarige.
»Nichts.« Er musste immer noch an seine Ex denken. Das Bild verschwand einfach nicht aus seinem Kopf. Sein Ständer schrumpfte zusammen. Er konnte nicht einmal in Gedanken mit einer anderen Frau schlafen, ohne dass ihm Eva die Tour vermasselte. Dabei war sie längst mit Mister Coca Cola verheiratet.
Die Rothaarige zog eine Schnute. »Schade, mit dir wäre es mal eine nette Abwechslung gewesen.«
»Ein anderes Mal«, log Hogart. Er griff in die Brieftasche und zeigte ihr Schellings Foto. »Ich suche meine Schwester.«
Kopfschüttelnd verschwand die Rothaarige. Auch keine ihrer Kolleginnen wollte die Frau auf dem Foto kennen. Nur der Barkeeper schien etwas gesprächiger zu sein. Sofern Hogart dem Mann glauben durfte, war schon seit Monaten keine Frau mehr in dem Nachtclub gewesen, es sei denn, sie arbeitete hier. Hogart erwähnte mehrmals, in welchem Hotel er wohnte, verteilte die Karte mit seiner Handynummer und hinterließ ein kräftiges Trinkgeld - die übliche Prozedur. Vielleicht würde noch jemandem etwas einfallen, der sich ein wenig dazuverdienen wollte.
Draußen überquerte Hogart den Platz und lief die breiteste Straße entlang. Hier begann das Viertel mit den Clubs und Nachtbars. Gedämpfte Musik drang aus den Lokalen. Er rief ein Taxi. Bevor er ins Hotel zurückkehrte, wollte er Schellings letzte Fahrt rekonstruieren. Für Samstagabend waren die Straßen merkwürdig leer, sodass er nur eine halbe Stunde zum westlichen Stadtrand brauchte.
Die Pivonkastraße entpuppte sich als kurze Allee, welche die Landstraße querte. Von hier war der Flughafen mit dem Auto in höchstens zehn Minuten zu erreichen. An einer Straßenecke lagen ein Taxistand und eine Bushaltestelle, auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Restaurant und ein Tanzlokal. An diesem Samstag war bestimmt mehr los als am Donnerstagabend vor drei Wochen. Trotzdem zählte Hogart nur sechs Mopeds und halb so viele Autos auf dem Besucherparkplatz. Gewiss war dies die einzige Möglichkeit für die Dorfjugend, um sich in dieser Einöde zu amüsieren - aber auch ein guter Ort für eine Versicherungsdetektivin, um kurz vor dem Abflug nach Wien ungestört die Unterlagen des Falls zu ordnen und in Ruhe einen Martini mit Olive zu trinken. Mädchen, warum ausgerechnet hier?
Das Tanzlokal hieß Sochor - das Brecheisen. Als Hogart den Schuppen betrat, wusste er, warum er diesen Namen trug. In der Diskothek wurde Techno gespielt, so laut, dass er den Türsteher zuerst nicht verstand, der ihm dreißig Kronen Eintritt abknöpfen wollte. Wie er auf einem Plakat sah, legte an diesem Abend der DJ eines Prager Radios auf. So weit außerhalb der Stadt hätte er das nicht vermutet. Hier jemanden nach Schelling zu fragen war Zeitverschwendung. Auf der komplett eingenebelten Tanzfläche bewegten sich einige Mädchen, die sich in den Spiegeln betrachteten, während die Jungs an der Bar saßen. Hogart verzichtete auf den Eintritt und das Gratisgetränk und begab sich in das anliegende Restaurant, wo es bedeutend ruhiger war.
Über den massiven Holztischen hingen zwar ebenfalls beißende Rauchschwaden, doch wenigstens konnte man sich hier unterhalten. Auf dem Weg zu
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