Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
eine Versicherung.«
In ihrem Blick lag immer noch Misstrauen. »Was wollen Sie dann von Vladimir Greco?«
»Vladimir Greco?« Hogart hörte diesen Namen zum ersten Mal.
Sie dämpfte ihre Stimme. »Die Presse nennt ihn auch Kral z Prahy, den König von Prag.«
»Handelt er mit Kunstgegenständen?«, fragte Hogart, obwohl der Spitzname eher wie der eines Zuhälters klang.
Tereza blickte ihn an, als wollte er sie verulken, dann schüttelte sie den Kopf. Obwohl sich außer ihnen niemand in der Empfangshalle befand, behielt sie ihren gedämpften Tonfall bei. »Er schmuggelt Menschen aus dem Osten nach Tschechien.«
Menschenschmuggel! Dieser Kerl hatte Schelling verschwinden lassen, war Hogarts erster Gedanke. Er wusste selbst nicht, wie er darauf kam, doch irgendwie schien es zu passen.
Er bedankte sich bei Tereza und schob ihr einen Fünfhundertkronenschein über den Tisch.
Den Rest des Vormittags verbrachte er im Internet-Corner des Hotels, wo er drei starke Mokkas bestellte und sich vor allem das Online-Archiv der Prager Zeitung durchsah, der einzigen deutschsprachigen Wochenzeitschrift der Stadt. Manchmal war der digitale Wahnsinn ja doch ganz nützlich. Während das Guthaben auf seiner Drei-Stunden-Karte langsam schrumpfte, las er sich alle Artikel über Vladimir Greco und dessen Geschäfte durch. Sporadisch druckte er einige Seiten aus. Nicht aus Angst, einen der Namen zu vergessen - denn er vergaß nie einen Namen -, sondern weil er etwas in der Hand haben wollte, falls Rast oder Kohlschmied bestimmte Unterlagen von ihm verlangten. Den Artikeln zufolge war Greco vor dreißig Jahren als Geldein treiber - manche behaupteten, als Schläger - in die Szene eingestiegen. Damals wurden noch Alkohol und Zigaretten geschmuggelt. Heute war Greco Chef des Schlepperwesens und beherrschte damit den Schwarzarbeitermarkt. Er organisierte Banden von Taschendieben, betrieb Spielautomaten und Wettbüros und besorgte sämtliche Dokumente, von Reisepässen bis zu gefälschten Arbeitsgenehmigungen. Obwohl das anscheinend jeder wusste, konnte Greco nie etwas nachgewiesen werden, oder es lag niemandem etwas daran, den König festzunageln.
Mit jedem weiteren Artikel erfuhr Hogart mehr darüber, wie einflussreich und gefährlich der Mann war. Bekam Greco Besuch von einem wildfremden Menschen, der ihn über den Brand in der Nationalgalerie und Schellings Verschwinden befragen wollte, würde ihn das so kalt lassen wie einen räudigen Wolf ein Hundefloh. Doch jeder Mensch hatte Widersacher - erst recht ein Mann wie Greco. Rasch fand Hogart, wonach er suchte. Wollte man sich in Prag eine Waffe oder Drogen besorgen, ging man am besten zu Patrik Cizek, für die Prostitution hingegen schien ein gewisser Antonin Polasek zuständig zu sein, dem unter anderem das Papousek in der Bernardigasse gehörte. Manche Artikel lasen sich wie ein Who is Who der Prager Unterwelt. Die Grenzen in der Goldenen Stadt an der Moldau schienen abgesteckt und alle Geschäfte säuberlich aufgeteilt zu sein. Hogart war klar, dass keiner der Herren etwas über den König von Prag ausplaudern würde, doch es war nie verkehrt, wenn man die Konkurrenten seiner Zielperson kannte.
Bevor Hogart die Internetverbindung trennte, gab er »Vladimir Greco« als Suchbegriff bei Google ein. Die Liste der internationalen Treffer war lang. Schon an fünfter Stelle stand eine Eintragung, die ihn überraschte. Greco war nicht nur ein Menschenschmuggler, sondern auch ein Kunstliebhaber. Ein Artikel aus der New York Times berichtete, dass Greco im Jahre 2002 bei einer Sotheby’s-Auktion als Mitbieter beim Kauf eines Ölgemäldes beinahe den Zuschlag erhalten hatte. Aber das Stück ging nicht in sein Heimatland Tschechien, sondern nach Northamptonshire. Hogart rieselte es abwechselnd heiß und kalt über den Rücken, als er las, dass es sich bei dem Exponat um Oktavians Bildnis des Heiligen Thomas handelte. Wie es schien, war Greco mittlerweile doch noch zu seinem Oktavian gekommen. Und nicht nur das - vielmehr hatte er sich gleich dreizehn seltene Werke auf einen Streich besorgt. Wer sonst sollte die Gemälde vor dem Brand in der Galerie ausgetauscht haben? Alexandra Schelling musste das irgendwie herausgefunden haben und Greco auf die Schliche gekommen sein. Sie hatte ihn zweimal besucht, und das war ihr zum Verhängnis geworden. Für Hogart lag der Fall klar auf der Hand.
Jetzt musste er nur noch einen Weg finden, um an den König von Prag ranzukommen.
Zu Mittag aß
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