Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
trafen wir uns zufällig am Kaffeeautomaten und kamen ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er jede Informationsveranstaltung zu den Morden besucht. Ihn halte nur noch eine einzige Hoffnung aufrecht - dass der Mörder seiner Frau endlich gefasst werde. Umso enttäuschter war er von der erfolglosen Polizeiarbeit.«
»Da hat er Sie engagiert?«
Ivona nickte. »Dummerweise hatte ich ihm erzählt, dass ich als Privatdetektivin Fälle wie Ehebruch, Diebstahl oder Erpressung bearbeite. Er wollte mich unbedingt dazu bewegen, auf eigene Faust zu ermitteln. Das war der letzte Strohhalm, an den er sich klammerte, aber wir wissen beide, dass ich nichts herausfinden kann, was die Kripo nicht schon längst weiß. Doch zumindest konnte ich ihm Einblick in die Kripoakten gewähren.«
Das brachte Hogart auf einen Gedanken. »Woher kennen Sie eigentlich Novacek?«
Ivona kaute an der Unterlippe. »Er und ich … wir waren einmal zusammen.« Da ging Hogart ein Licht auf.
»Das überrascht Sie, nicht wahr?«, stellte sie fest. »Aber zwischen Novacek und mir läuft längst nichts mehr, auch wenn er es gern anders hätte. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn der eigene Bruder für Vladimir Greco arbeitet, und der … hm, Lebensgefährte bei der Kripo ist. Die sind wie Katz und Maus, man sitzt immer zwischen zwei Stühlen. Novacek sind Männer wie Ondrej ein Dorn im Auge, da sie ihre Geschäfte auf ihre Art führen - andererseits steigt Ondrej die Galle hoch, wenn er es mit Polizisten, Kripobeamten oder Leuten vom Sicherheitsdienst zu tun bekommt.«
»Ihr Bruder kommt wohl nur schwer mit anderen aus, oder?«, warf Hogart ein.
Plötzlich funkelten ihre Pupillen. »In Ihren Augen ist er wohl nur ein grober Klotz, der Spielautomaten aufstellt und Geld eintreibt?«
Hogart machte den Mund auf, doch sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
»Aber er leitet ein Dojo, wo er rund zwanzig Kindern Judo beibringt. Für die Kleinen ist er wie ein großer Bruder. Außerdem besitzt er eine Buchhandlung.«
»Eine Buchhandlung?«, wiederholte Hogart, nur um irgendetwas zu sagen. »Das hätte ich nicht vermutet.«
»Es ist nur ein kleiner Laden, direkt unter dem Dojo, in der Nähe vom Karlsplatz. Er ist bloß drei Tage in der Woche geöffnet. Dort verkauft Ondrej Räucherstäbchen, fernöstliche Literatur und Kampfsportmagazine. Wenn Jiri nicht gerade für eine Aufführung probt, hilft er ihm im Laden. Das Geschäft geht zwar nicht besonders gut, aber Ondrej ist in Ordnung, auch wenn er auf manche wie ein primitiver Rohling wirkt. Aber keine Angst, er beißt nicht … vielleicht werden Sie das eines Tages noch rausfinden.« Ivona verstummte.
Offensichtlich hatte Hogart mit seiner Bemerkung einen empfindlichen Nerv getroffen. »Was haben Sie über die Morde herausgefunden?«, fragte er, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen.
Ivona seufzte. »Ich habe bestimmt mehrere Wochen damit zugebracht, die Tatorte zu besichtigen. Schließlich ist mir eine Gemeinsamkeit bei den Morden aufgefallen: Hana Zajicova wurde in der Dvorakovo am Moldauufer gefunden, exakt vor der Hausnummer fünf. Der Rentner lag in der Dusni, ebenfalls vor einem Altbau mit der Nummer fünf, ebenso befindet sich das Cafe Esplanade in einem Gebäude mit der Hausnummer fünf.«
»Und der Landstreicher, der neben der Elisabethpromenade im Schlamm steckte?«, fragte Hogart.
»Ich habe das Foto leider nicht mehr, sonst könnten Sie es selbst sehen. Der Mann lag vor einer Sitzbank, und zwar der fünften, wenn man die Bänke vom Süden der Promenade hinaufzählt. Etwas weit hergeholt, ich weiß, aber das waren möglicherweise die ersten Hinweise.«
»Also die Fünf«, sinnierte Hogart. »Und jemand hat die Leichen gegen fünf Uhr früh an den Plätzen deponiert.«
»Exakt. Wochenlang habe ich Bücher studiert, um herauszufinden, was diese Fünf bedeuten könnte. Meine Mitschriften sind verbrannt, doch an einige Ergebnisse erinnere ich mich noch. Die Fünf ist zugleich eine Primzahl und eine Pyramidenzahl, sie steht für die fünf Sinne, die fünf Säulen des Islam oder die fünf Elemente des Taoismus. Je nachdem welche Quelle man heranzieht, bedeutet die Zahl etwas anderes: Sinnlichkeit, Männlichkeit, Sexualität, Heilung oder Religion. Das Pentagramm ist ein Fünfeck, ebenso stammt der Begriff Quintessenz von der Fünf ab. Das chemische Element mit der fünften Ordnungszahl heißt Bor, der fünfte Buchstabe des griechischen Alphabets Epsilon, womit man in der
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