Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
macht mich rasend.«
Im Moment herrschte eine kühle Stimmung zwischen ihnen. Hogart merkte, dass sich unzählige Rädchen in ihrem Kopf drehten. Entweder ging ihr der Verlust des Hauses durch den Kopf, die Tatsache, dass sie die nächsten Wochen auf Jiris Boot verbringen musste oder dass sie monatelang ihre Zeit mit dem Fall verschwendet hatte. Hogart versuchte, sie auf andere Gedanken zu bringen. »Warum hat Ihnen Greco eigentlich dabei geholfen?«
»Er hat mindestens genauso viel Grund, die Mörder zu finden, wie Dr. Zajic.« Sie machte eine Pause. »Nadine, Opfer Nummer sechs, das französische Aupairmädchen, arbeitete in seiner Villa. Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren kümmerte sie sich um seine Tochter.«
»Ich habe das Mädchen mit der Zahnspange und den blonden Zöpfen gesehen. Sie heißt Anna nicht wahr? Ein süßes Kind.«
Ivona nickte in Gedanken versunken. »Ja, die Kleine ist herzig. Greco hat ihr nie erzählt, dass ihr Dienstmädchen ermordet wurde. Anna glaubt, sie ist nach Frankreich zurückgekehrt, ohne sich zu verabschieden. Die Kleine tut mir leid. Zuerst starb die Mutter bei einem Autounfall, und dann passiert so etwas. Die Kinder trifft es immer am schlimmsten …«
»Greco könnte uns bei der Suche nach den Killern helfen«, schlug Hogart vor. Doch im gleichen Moment merkte er, dass er einen unpassenden Zeitpunkt gewählt hatte.
Ivona funkelte ihn an. »Gestern haben Sie ihn noch verdächtigt, dass er Ihre Kollegin ermorden und mein Haus anzünden ließ, ihn bei der Polizei angeschwärzt, und heute wollen Sie ihn als Verbündeten? Mittlerweile hat die Kripo bestimmt schon sein Haus auf den Kopf gestellt und ihm ist sicher zu Ohren gekommen, dass Ondrej sich über ihn erkundigt hat. Wir haben uns ziemlich blöd angestellt, und Greco ist niemand, der sich verarschen lässt. Auf diese Hilfe dürfen wir nicht mehr zählen.«
»Dann müssen wir allein weiterarbeiten.«
»Allein weiterarbeiten?« In einem plötzlichen Wutausbruch fegte Ivona die Blätter und Fotos vom Tisch. »Womit denn? Mit diesen paar Unterlagen? Glauben Sie, wir finden etwas heraus, das die Kripo übersehen hat?«
Hogarts Herz schlug bis zum Hals. Er saß betroffen da und sah zu, wie die Papiere zu Boden segelten. »Wir könnten Novacek bitten, dass er uns nochmals eine Kopie der Daten zukommen lässt.«
»Natürlich! Wo leben Sie denn?«, fuhr Ivona ihn an. »Wenn die Kripo bei dem Hausbrand nur ein einziges Zeugenprotokoll oder Foto von den Ermordeten entdeckt hätte, wären Novacek und ich dran gewesen. Die Interne hätte ihn wegen der Weitergabe von Beweismitteln suspendiert und ich wäre wegen Behinderung einer laufenden Ermittlung in den Knast gewandert. Die Lage ist schon vertrackt genug, weil er irgendwie erklären musste, wie er an die Information gekommen ist, dass die achte Leiche Alexandra Schelling ist. Novacek wird sich hüten, uns auch nur einen einzigen Hinweis zukommen zu lassen. Wir sind raus aus dem Spiel!«
»Wir könnten …«
»Wir könnten was?« Ivona zerrte die Fotos von der Wäscheleine. »Das bringt doch alles nichts!«, brüllte sie. »Die Mörder sind einfach nicht zu fassen.« Sie fetzte die Büroklammern aus dem Stadtplan, sodass das Papier einriss, und schleuderte sie quer durch den Raum. Schließlich atmete sie tief durch und starrte geistesabwesend zu Boden.
Hogart erhob sich. Während er nach seinem Mantel und den Zigaretten griff, sah Ivona nicht auf. Schweigend verließ er das Schiff.
KAPITEL 8
Hogart ging an der Kaimauer entlang. Es wurde bereits dunkel. Von Weitem hörte er die Nebelhörner der Moldauschiffe. An der Mole schaukelten die Boote. Hinter der Praha lagen die Svetlana, ein desolater Hochseefrachter, die Katerina, ein schäbiger Katamaran, sowie zahlreiche Fischerboote, über deren Ruderbänke faules Wasser schwappte.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, in Prag zu bleiben, dachte Hogart. Sich in andere Menschenleben einzumischen und zu glauben, selbst schlauer zu sein und Rätsel lösen zu können, an denen sich bereits andere seit Monaten die Zähne ausbissen. Immerhin hatte er Schellings Schicksal geklärt und ihre Leiche gefunden. Der Hai hatte recht behalten. Wie es schien, konnte er nicht mehr tun. Hogart griff in die Hosentasche. Er hatte zu wenig Geld dabei, um im Schwarzen Krebs bei einer Tasse starken Kaffees in Ruhe über alles nachzudenken. Also blieb er in der Nähe der Praha stehen und stützte den Fuß auf einem einbetonierten gusseisernen
Weitere Kostenlose Bücher