Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
haben.«
»Das einzig Sehenswerte ist direkt an der Hausnummer 11, wo Grecos Dienstmädchen gefunden wurde …«
»Stopp!« rief Hogart. Wo Grecos Dienstmädchen gefunden wurde… Er zermarterte sein Hirn. Irgendwo lag der Hinweis verborgen. Eine astronomische Uhr. Nicht wo, sondern wann das Mädchen gefunden wurde! Das war es!
»Sie sagten, alle Opfer wurden gegen fünf Uhr morgens gefunden, mit Ausnahme des französischen Aupair-Mädchens, das der Kioskbesitzer erst um sechs Uhr entdeckte.« Er machte eine Pause. »Wann öffnet dieser Kiosk?«
»Vermutlich um sechs.«
»Das ist doch kein Zufall«, stellte er fest. »Eine Uhr zeigt die Zeit. Demnach könnte es etwas mit der Uhrzeit zu tun haben. Aus welchem anderen Grund sollte der Killer sein Opfer unter einer Uhr platzieren?« Unter einer astronomischen Uhr, korrigierte sich Hogart in Gedanken … und zwar um sechs Uhr morgens.
»A6.« Er fuhr mit dem Finger auf der Karte entlang. Einige Straßen weiter oben war die Leiche der dänische Tramperin gefunden worden. »Welche Buslinien haben hier ihre Haltestellen, woher kommen sie und wohin fahren sie?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Möglicherweise hielt Ivona ihn für verrückt, aber solange er Bestätigungen für seine Theorie fand, wollte er sie nicht aufgeben. Einer Intuition folgend wendete Hogart den Stadtplan. Auf der Rückseite befand sich ein Verzeichnis aller Metro- und Busstationen. Er ließ den Finger über die Aufstellung irren.
»Die Linie heißt A8«, half ihm Ivona. »Sie geht nach …«
»Wunderbar!« Entspannt lehnte sich Hogart zurück. So ergaben die Fundorte einen Sinn. A6 und A8 befand sich links oben, in den Stadtteilen Hradcany und Dejvice, und G2 rechts unten, im Stadtteil Vinohrady. »Diese verdammten Scheißkerle spielen ein Spiel mit uns!«
Hogart kramte durch den Papierstapel, bis er das Foto von Alexandra Schelling in den Händen hielt. Der Mörder hatte ihr mit einem Skalpell die Buchstaben DA in die Brust geritzt und sie danach in ein schwarzes Samttuch gewickelt. Demnach hatte Alexandra Schelling anstelle der mächtigsten Schachfigur sterben müssen: der schwarzen Dame.
»Angenommen, Sie haben recht«, sagte Ivona, nachdem sie alle Daten sorgfältig geprüft hatten. »Wie bringt uns das weiter?«
Hogart nahm den Kopf zwischen die Hände. »Ich fürchte gar nicht … Für die beiden Psychopathen stellt diese Mordserie ein Gesamtkunstwerk dar, das es zu entschlüsseln gilt, aber wir kratzen gerade mal an der Oberfläche. Wir wissen zwar, welche weißen und schwarzen Figuren in welcher Reihenfolge auf welchen Feldern geschlagen wurden, aber mehr auch nicht. Wir müssen mehr über die Partie der Killer herausfinden und dahinterkommen, wie der nächste Zug aussehen könnte. Wir haben noch drei Tage Zeit.« Hogart hob den Kopf. »Aber ich bin kein Schachspieler. Ich habe nicht den blassesten Schimmer.«
»Das heißt, wir benötigen einen Profi, der uns hilft.« Ivona erhob sich. Mit einem Mal gewann sie ihren Elan zurück.
»Sie kennen einen Schachspieler?«
»Nicht bloß einen, sondern den Prager Schachgroßmeister!« Ivona griff sich Jiris Telefonbuch und suchte eine Nummer heraus. Während sie in ihre Handytastatur tippte, sprach sie weiter. »Ich kenne Hieronymus Vesely von früher. Ab und zu engagierte mich seine Frau, um Kleinigkeiten für sie rauszufinden. Mit etwas Glück …« Sie wandte sich ab. »… dobry vecer.«
Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. Sowie die Verbindung beendet war, lehnte Ivona sich mit verschränkten Armen gegen die Küchenzeile. Sie lächelte. »Wir sind wieder im Rennen. Zwar habe ich Vesely nicht erreicht, denn er schläft bereits - immerhin ist er schon ein älterer Herr -, aber sein Sohn Pavel erzählte mir, dass seine Eltern jeden Donnerstag - also auch morgen - gegen Mittag den jüdischen Friedhof besuchen. Er wird seinem Vater ausrichten, dass wir uns morgen mit ihm dort treffen werden.«
KAPITEL 9
Nach dem Frühstück verabredete sich Ivona mit ihrem Versicherungsvertreter, um die letzten Fragen bezüglich ihres Hausbrandes zu klären. Indessen besuchte Hogart eine Herrenboutique in der Nähe des Hafens, wo er die Regale nach Unterwäsche und passenden Hemden durchsuchte. Dieser Einkauf, den er mit seiner Kreditkarte bezahlte, war längst überfällig. Immerhin war er auf einen kurzen Trip eingestellt gewesen und hatte nicht damit gerechnet, eine volle Woche in Prag zu verbringen. Zusätzlich suchte er sich einen
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