Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
Ziels … das stammt nicht von mir, sondern von Leibniz.« Vesely blickte auf die qualmende Pfeife in seiner Hand, dann sah er Hogart an. »Ich bin zwar nicht Leibnitz, aber wie kann ich Ihnen helfen?«
Ivona reichte ihm die Liste mit den geschlagenen Figuren, die sie erstellt hatten:
schwarzer Bauer auf D5
weißer Bauer auf D5
schwarzer Bauer auf E5
weißer Springer auf E5
schwarzer Turm auf A8
schwarzer Bauer auf A6
weißer Bauer auf G2
schwarze Dame auf F3
Vesely studierte die Aufstellung kurz, ehe er sie zurückgab. »Sie können die Spielzüge gern behalten.«
Vesely wehrte mit der Hand ab. »Nicht nötig, meine Liebe. Außerdem handelt es sich dabei nicht um Züge, sondern lediglich um Felder, auf denen Figuren geschlagen wurden. Haben Sie noch andere Hinweise?«
Ivona schüttelte den Kopf.
»Nun, leider lassen sich daraus keine etwaigen Spielzüge ableiten, falls Sie darauf spekuliert haben.«
Hogart wurde unruhig. »Bedeutet das, Sie können den nächsten Zug nicht vorausahnen? Dann wüssten wir nämlich …«
»Genau das bedeutet es!«
»Aber könnte man nicht …?«
»Könnten! Würden!« Vesely zuckte die Achseln. »Mir ist durchaus bewusst, dass es hier um Menschenleben geht, aber was Sie von mir verlangen, ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit, da nicht bekannt ist, wie die Figurenaufstellung in dieser Spielphase aussieht. Wir wissen nicht, wie viele und vor allem welche Spielzüge bereits gemacht wurden. Wir haben nur eine Aufstellung über acht geschlagene Figuren. Das ist vollkommen nutzlos und sagt rein gar nichts aus.«
»Aber es muss etwas aussagen!«
»Tut es aber nicht.« Vesely paffte an der Pfeife. »Wir wissen nur, dass sich das Spiel nicht länger in der Eröffnungsphase befindet, dass sich beide Gegner offensichtlich ebenbürtig sind, und dass das Schlagen der schwarzen Dame eine entscheidende Wendung im Spiel haben könnte. Könnte! Wir wissen jedoch nicht, ob die Dame aus taktischen Gründen geopfert oder aus Unachtsamkeit verloren wurde.«
Hogart starrte Vesely fassungslos an. Er hoffte, der alte Mann war nicht senil und wusste, wovon er sprach. Falls Hogart nicht wollte, dass dieses Gespräch ergebnislos verlief, musste er rasch irgendwo einhaken, um Veselys Interesse, seine Neugierde, seinen Jagdinstinkt zu wecken. Sonst war seine gesamte Schachtheorie völlig nutzlos.
»Gehen wir einmal davon aus, dass die beiden Mörder irgendwie kommunizieren, um einander die Spielzüge mitzuteilen«, schlug Hogart vor. »Möglicherweise kennen sie sich gar nicht und lassen sich die Züge über verschlüsselte Zeitungsinserate zukommen. Vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten, um …«
Vesely schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Sie denken zu kompliziert, mein Freund. Wer sagt Ihnen, dass sich die Mörder verständigen müssen?«
Hogart sah ihn erstaunt an. »Wie sollten sie sonst…?«
»Ach was, das ist doch völlig unnötig!«, fuhr Vesely dazwischen. »Sie sagten ja selbst, die Mörder wollen durch ihr Spiel eine Botschaft zum Ausdruck bringen. Was gäbe es hierzu Besseres, als eine allgemein bekannte Partie nachzuspielen und uns die wichtigsten Eckdaten als Hinweise zukommen zu lassen?«
»Sie meinen, die beiden spielen eine historische Schachpartie nach?«
»Exakt. Dann wären die Züge dem jeweiligen Gegner bekannt, und man könnte sie Schritt für Schritt nachspielen, ohne miteinander in Kontakt treten zu müssen.«
Ivona nickte, als könne sie dieser Idee etwas abgewinnen. »Aber welche Partie?«
»Das, meine Liebe, ist die Frage. Aber das lässt sich ermitteln. Pavel könnte die passende Partie herausfinden.«
»Wie rasch ließe sich diese Information besorgen?«, fragte Hogart.
Vesely wiegte den Kopf. »In einigen Wochen, möglicherweise auch erst in einem Monat.«
Hogart wurde schwarz vor Augen. »Wir haben höchstens bis übermorgen Zeit. Alles deutet darauf hin, dass spätestens Samstagabend das nächste Opfer entführt wird!«
»Oj je, Sie verlangen Unmögliches.« Vesely schob den Pfeifenstiel von einem Mundwinkel in den anderen. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie viele Partien es in der Geschichte des Schachspiels weltweit gegeben hat?«, murmelte er. »Die Nachforschung wird komplizierter als die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wir suchen ein atomares Teilchen in einem Heuhaufen, der seit Jahrhunderten permanent anwächst.«
»Gibt es keine Datenbank, in der diese Informationen abgespeichert
Weitere Kostenlose Bücher