Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
zu. Laut rief er: »Eugenie, wir gehen nach Hause!«
»Aber Hiery, der Besuch!«, klagte sie.
»Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen! Komm!«
Hogart nahm die Kippa ab, um sie Vesely zurückzugeben.
»Betrachten Sie die als Geschenk, mein Freund«, wehrte Vesely ab. Er reichte Hogart die Hand. »Und wünschen Sie uns Glück bei der Suche.« Nachdem er Ivona zum Abschied auf die Wange geküsst hatte, eilte er mit seiner Frau zum Ausgang.
»Ein bemerkenswerter Mann«, sagte Hogart.
»Und ein Genie.«
»Ich hoffe es.« Hogart sah Vesely nach, der mit Eugenie durch das Tor verschwand. »Sie sagten, Sie haben einige Male für seine Frau recherchiert. Worum ging es dabei?«
»Das ist Jahre her. Sie bat mich, ihren Mann zu beschatten, sobald er den Schachclub besuchte. Dabei lernten wir uns kennen. Sie glaubte, dass er fremdging.«
»Und?«
»Ach wo! Er ist so treu wie ein Schoßhund. Auch wenn er nicht so wirkt, aber der Mann würde für seine Frau sterben.«
Gegenüber vom jüdischen Rathaus lag das Mojsche, eine kleine Bierstube mit Mittagstisch. Die Menüs entsprachen zwar Spatzenportionen und die Preise waren heftig, aber dafür war die Atmosphäre atemberaubend, da das Gebäude aus dem sechzehnten Jahrhundert stammte und die Möblierung wie die historische Originaleinrichtung wirkte.
Hogart überlegte, ob der Holzboden von dem ausgeschütteten Bier, der verrauchten Luft, dem mangelnden Sonnenlicht oder einfach nur vom Alter so schwarz geworden war, und tippte auf eine Mischung aus alldem. Jedenfalls herrschten in dem Lokal gedämpfte Stille und ein trübes Zwielicht, sodass sie sich an eines der winzigen Fenster setzen mussten, um überhaupt etwas sehen zu können. Die Mauer war so dick, dass man getrost ein Tablett in der Fensternische abstellen konnte. Als der Kellner heranschlurfte und Hogart zwei Speisekarten in die Hand drücken wollte, winkte Ivona ab.
»Nicht die Karte mit den Touristenpreisen«, sagte sie auf Tschechisch, worauf sich der Ober mit dem Seehundbart leicht verbeugte und eine viel dünnere Karte aus der Schürze zog.
Doch bevor Hogart einen Blick hineinwerfen konnte, überredete Ivona ihn zu einem Couscous-Salat für zwei Personen. Während sich der Kellner mit langsamen Schritten entfernte, begann das Display ihres Handys zu blinken, einem Anachronismus gleich, der nicht in diese Welt passte.
»Entschuldigen Sie bitte - mein Sohn.« Ivona nahm das Gespräch entgegen, wandte sich zur Seite und sprach auf Tschechisch weiter. Schlagartig bekam ihre Stimme einen weichen fürsorglichen Klang.
Ihr Sohn - echote es in Hogarts Kopf. Irgendwie konnte er sich Ivona, die Privatdetektivin mit der Walther PPK, die Judo trainierte, Baileys trank und Vladimir Greco persönlich kannte, gar nicht in der Rolle einer Mutter vorstellen. Aber wenn er sie jetzt von der Seite betrachtete, ihr Lächeln und den stolzen Glanz ihrer Augen, fragte er sich, weshalb sie keinen Sohn haben sollte. Ungewollt bekam er mit, dass sie von dem Hausbrand erzählte, aber das Gespräch mitzuhören erschien ihm wie ein Eindringen in ihre Intimsphäre. Schließlich starrte er aus dem Fenster, bemüht, nicht weiter zu lauschen. Durch die schmierige Scheibe sah er den Barockturm des alten Rathauses. Die Uhr mit den vergoldeten Ziffern schlug eins, obwohl die Zeiger auf elf Uhr standen. Irritiert betrachtete er das verschnörkelte Zifferblatt, bis er erkannte, dass es spiegelverkehrt war. Die Zeiger liefen rückwärts, wodurch sich die Zeit zurückzubewegen schien.
»Sie sind a Goj, net wahr?«, fragte der seehundbärtige Kellner, als er sich zu Hogart beugte, um die Getränke zu servieren. Bevor Hogart antworten konnte, deutete der Kellner auf die schwarze Kopfbedeckung, die neben ihm auf dem Tisch lag. »A schejne Kippa.«
Der Kellner wies durch das Fenster auf die Rathausuhr. »Dos ejnzige jiddische Rothaus außerholb Israels. Im Hebräischen wird von rechts nach links gelejsen«, erklärte er. »Guten Appetit.« Langsam taperte er wieder in die Küche.
In diesem Moment beendete Ivona das Gespräch. »Ach herrje«, stöhnte sie.
»Ich wusste nicht, dass Sie einen Sohn haben.«
»Das liegt daran, dass ich Ihnen noch nichts über ihn erzählt habe. Ich versuche, Matej aus meinem Beruf rauszuhalten. Er ist einundzwanzig und studiert an der technischen Universität. Der Junge ist fürchterlich intelligent und wird es einmal zu mehr bringen als ich. Matej arbeitet schon jetzt neben dem Studium als Programmierer.« Aus
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