Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
zunehmenden Erfolg seines Vereins immer eitler werdenden Präsidenten, dem es auf Schalke nie wirklich gelang, die Liebe der Menschen zu erlangen, und dem volksnahen Neururer. In der Wahrnehmung der Schalker Fangemeinde haben nicht Eichbergs Millionen, sondern Neururers Emotionen den Untergang des Clubs verhindert. Dass dieses Bild verzerrt ist, weiß Neururer, der Eichberg als feinen und durchaus sensiblen Menschen kennengelernt hat und der sagt, dass er als Trainer für einen Umschwung gesorgt, letztendlich aber die Mannschaft den Erfolg erstritten hat.
Am Tag nach dem »Endspiel« gegen Berlin kommen zwei um die 70 Jahre alten Männer nach dem Training auf Peter Neururer zu. Die beiden tragen Jogginghosen, Schalke-Trikot, Schal und Kappe. Sie sehen ärmlich aus. Neururer erhältvon den beiden mit feierlicher Geste einen Briefumschlag überreicht, auf dem steht: »Für unsern Pedda«. Der Trainer bedankt sich, nimmt das Kuvert an sich. Als er es im Büro öffnet, fallen zehn Zehn-Mark-Scheine heraus. Das Begleitschreiben ist kurz abgefasst: »Besten Dank für allet, watte gemacht hast.«
Entlassung bei Weißwein
In der Saison nach dem wundersamen Klassenerhalt muss der FC Schalke 04 Spieler verkaufen, um die Lizenzauflagen des DFB erfüllen zu können. Peter Neururer gelingt es dennoch, die eigentlich als schwächer einzuschätzende Mannschaft weiterzuentwickeln, dafür stellt man ihm von Vereinsseite sogar zwei echte Olympiasieger zur Verfügung.
Die Russen Alexander Borodjuk und Wladimir Ljuty sind die ersten beiden Spieler ihres Landes, die im Zuge der Perestroika im deutschen Profifußball landen. Einem klammen Club wie Schalke kommt Russland in diesen bewegten Zeiten sehr gelegen. Für vergleichsweise wenig Geld kann man dort viel Qualität erhalten, der von Dynamo Moskau kommende Mittelfeldspieler Borodjuk etwa wird zu einem der ganz wichtigen Spieler der nächsten Jahre auf Schalke. Borodjuk bringt auch seinen Kollegen aus der russischen Goldmedaillenmannschaft von 1988 mit: Wladimir Ljuty, einen 1,90 Meter großen, bisweilen steifwirkenden Stürmer, der jedoch durchaus Knipserqualitäten besitzt.
Die Verhandlungen mit Ljutys Club Dnipro Dniprope-trowsk finden in Innsbruck statt, weil die Mannschaft dort zu einem Spiel im Europapokal der Landesmeister beim FC Tirol gastiert. Schalke reist mit Manager Helmut Kremers, Co-Trainer Klaus Fischer und Neururer an. Sie sehen sich das Spiel an, fahren im Anschluss ins Hotel der Russen, um beim späten Abendessen in die Verhandlungen einzusteigen. Diese werden auf Englisch geführt, für alle Fälle hat Schalke noch einen Dolmetscher mitgenommen.
Als das Essen beendet ist, beginnen die Russen das Gespräch über die Ablösemodalitäten landestypisch: In 0,2 Liter fassende Wassergläser schenken sie ihren Gelsen-kirchener Verhandlungspartnern und sich den mitgebrachten Wodka ein. Randvoll, versteht sich. Neururer ist nach dem zweiten Glas durch, Fischer neben ihm verdreht die Augen, nur Helmut Kremers verhält sich klug. Schalkes Manager trinkt das erste Glas mit, den Inhalt der folgenden Gläser kippt er an seinem Kopf vorbei in den Pflanzenkübel hinter sich. Am Ende sind es wohl so um die sechs Runden, und Peter Neururer erinnert sich nur noch daran, dass plötzlich aufgestanden wird, man sich die Hände reicht: Ljuty ist Schalker.
Bei »Sascha« Borodjuk läuft die Sache ohne Alkohol, aber nicht minder seltsam ab. Nachdem Schalke alle Geldforderungen von Dynamo Moskau und weiteren Russen - auch der ein oder andere Verbandsfunktionär will sich beteiligt wissen - bezahlt hat, gibt es keine Spielberechtigung. Die erhält Borodjuk erst, nachdem aus Gelsenkirchen vier Kopiergeräte und ein gebrauchter Traktor nach Moskau geschickt worden sind.
Mit Borodjuk und Ljuty verpasst Schalke zum Ende der Saison 1989/90 den Aufstieg in die Erste Liga nur knapp. Es ist eine starke Leistung. Der Club ist auf dem Weg nach oben, die Mannschaft in der Spur. Und Neururers Ansage, dass jeder Spieler die letzten drei Tage vor einem Spiel ab jeweils 22 Uhr zu Hause unter seiner Privatnummer erreichbar zu sein hat, wird offenbar befolgt.
Allerdings liegt dem Trainer die Ausführung von Kontrollanrufen fern. Wenn einer über die Stränge schlägt, kommt das eh raus. »Da gibt es Zuträger genug«, sagt Neururer, »Privatleute, Zeitungsjournalisten und Menschen von Fernsehanstalten.« Wie in jenem Fall, als vier Schalker Kicker -darunter ein Nationalspieler - am Abend vor einem
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