Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Vormittagstraining am Dienstag schon auf den kommenden Gegner ein. Damit beginnt die Vorbereitungsphase auf das Heimspiel gegen Rot-Weiss Essen. Vor dem Nachmittagstraining, so ist das zu dieser Zeit Sitte, speist man in einem Raum auf der Geschäftsstelle gemeinsam gegen 12:30 Uhr zu Mittag. Neururer sitzt also mit seiner Truppe zusammen, als Manager Helmut Kremers eintritt.
»Trainer, können Sie mal kurz herüber in das Büro des Präsidenten kommen? Er will mit Ihnen sprechen.«
»Herr Kremers, Sie sehen doch, ich sitze hier gerade mit der Mannschaft beim Essen. Bestellen Sie dem Präsidenten bitte einen schönen Gruß, ich komme nachher vorbei, wenn wir hier fertig sind.«
Kremers verlässt den Raum.
Man muss dazu wissen, dass Neururer und seine Mannschaft am Vorabend ein gemeinsames Abendessen mit dem Verwaltungsrat in einem griechischen Restaurant in Gelsenkirchen gehabt haben. Dabei lässt der Vorsitzende des Gremiums, Jochen Burdenski, Neururer im Vier-Augen-Gespräch wissen, dass der Verwaltungsrat des Clubs einer Verlängerung des Trainervertrags um vier Jahre zugestimmt habe - unabhängig von der Spielklasse.
Etwa fünf Minuten später, nachdem Helmut Kremers erstmals das Mittagessen der Schalker Mannschaft gestört hat, ist der Manager wieder zurück. Offenbar steht er unter Druck: »Trainer, jetzt kommen Sie bitte sofort, es ist wichtig.«
Genervt legt Neururer sein Besteck beiseite. Zu seiner Mannschaft sagt er: »Jungs, ihr könnt weiteressen. Bin gleich wieder da.« Neururer und die Spieler gehen davon aus, dass Eichberg mit dem Trainer nur noch die Laufzeit des neuen Vertrags besprechen will. »Trainer - vier oder fünf Jahre verlängern«, ruft Günter Schlipper und lacht. Neururer lacht zurück.
Als er das Präsidentenzimmer betritt, sitzt Eichberg hinter seinem Schreibtisch, auf dem ein Glas neben einer Flasche Weißwein und dem für den Schalke-Boss obligatorischen Kübel mit Eiswürfeln steht.
»Guten Tag, Herr Präsident. Wie geht es Ihnen?«, fragt Neururer, setzt sich und mit Blick auf das Glas, die Flasche und das Eis fügt er an: »Und wenn es etwas zu feiern gibt, trink ich gern einen mit.«
»Nein«, sagt Eichberg mit ernster, staatsmännischer Miene, »heute gibt es nichts zu feiern.«
»Gut, dann trink ich auch keinen mit.«
»Ich wollte Ihnen nur mitteilen: Sie sind ab sofort entlassen.«
»Bitte?«
Eichberg sagt nichts weiter.
Neururer: »Präses, hübscher Scherz - aber um was geht es wirklich?«
»Das ist kein Scherz, Herr Neururer. Sie sind entlassen. Die Krone des Aufstiegs setze ich mir selber auf.«
Neururer ist völlig perplex, er schweigt. Helmut Kremers, der ein paar Meter rechts von Eichberg auf einem Stuhl sitzt, sagt: »Güntdr, so geht das nicht, so können wir das nicht verkaufen.«
Draußeri vor der Geschäftsstelle haben sich inzwischen vier- bis fünfhundert Fans versammelt, die auf die Nachmittagstrainingseinheit der Mannschaft warten. Sie haben augenscheinlich, über welche Quelle auch immer, mitbekommen, was in dem Gebäude gerade vor sich geht. Die Anhänger wirken ungehalten. Es ist die berühmte Schalker Volksseele, die dabei ist, in Wallung zu geraten.
Es kommt in seinem Leben eigentlich nicht vor, dass Peter Neururer sprachlos ist. Nach der überraschenden Eröffnung seiner Entlassung durch Eichberg aber schweigt der Trainer. Er braucht eine kurze Zeit, um zu begreifen, was man ihn da gerade hat wissen lassen. Dann sagt er: »Okay, gut, dann verkaufen wir das mal richtig.«
Darauf Kremers: »Ja, aber wie denn?«
»Wir berufen für heute Nachmittag 16 Uhr eine Pressekonferenz ein«, beginnt Neururer. »Auf dieser Pressekonferenz gibt der Verein meine Beurlaubung bekannt - mit folgendem Tenor: Der Verein hat Trainer Peter Neururer eine Vertragsverlängerung angeboten, die allerdings nur für die Erste Liga Gültigkeit besitzt. Dieser Vertragsverlängerung hat Peter Neururer nicht zugestimmt.«
Eine clevere Lösung. Denn diese Variante eröffnet Eichberg die Möglichkeit, Neururer zu beurlauben, weil er als Präsident sagen kann, der Trainer glaube offenbar nicht an den Aufstieg seiner Mannschaft. Für Neururer bietet sich auf diese Art die Möglichkeit, dass er sich trotz des auslaufenden Arbeitsvertrags mit dem Verein auf eine Art Entschädigungszahlung einigen kann - ohne gerichtliche Auseinandersetzung und ohne dass jemals ein Angebot zur Vertragsverlängerung vorgelegen hat.
Zu den Vorgängen an diesem Nachmittag, genauer zum Grund der
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