Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Abfahrt überprüft, besteht keine Helmpflicht. Und der Fußballtrainer mag es gern lässig auf der Harley. Er liebt es, sich auf dem Highway den Wind durch die wenigen Haare wehen zu lassen. Ein bisschen dem Klischee zu frönen. Doch mitten in diese Easy-Rider-Träume von unbegrenzten Horizonten, unendlicher Weite, Freiheit und »... getyour motor running...« heult plötzlich eine Sirene hinein. Ein Schlitten der Highway-Patrol rast an der entspannten Formation der deutschen Freizeitrocker vorbei. Übertlen aufs Dach des Fahrzeugs montierten Lautsprecher brüllt jemand: »Heimet! Heimet! Heimet!« - und dann ist erst mal Schluss.
Zwei dieser typischen Highway-Ordnungshüter stehen plötzlich vor Neururer. Hellblaues Hemd, Pilotensonnenbrille, gebräunte Haut, Halfter mit großer Knarre, Lederschaftstiefel. Sie bitten den Mann aus Germany von seinem Bock abzusteigen - doch der poltert gleich los: Was das denn bitte solle, ihn hier einfach anzuhalten!? Sie wären keineswegs zu schnell gefahren, hätten einfach nur cruisen wollen - und wäre Neururer auf die Schnelle noch das englische Wort für »Schikane« eingefallen, er hätte auch das den beiden Officern an den Kopf geworfen.
»Wir haben nichts gemacht«, sagt Neururer am Ende seines Gefühlsausbruchs.
»Sie tragen keinen Helm«, antwortet einer der beiden Polizisten.
»Wie, Helm? Du kennst wohl die Gesetze in deinem eigenen Staat nicht!?«, ereifert sich Neururer, dann fallt sein Blick auf das Namensschild des sichtlich genervten Officers, das ihn als Beamten des US-Bundesstaates Georgia ausweist.
»Ach, du Scheiße«, denkt Neururer. Er und seine Kollegen haben einfach nicht bemerkt, dass sie längst die Staatsgrenze passiert haben - und in Georgia besteht Helmpflicht beim Motorradfahren. Sofort schwenkt Neururer um, er gibt seinen Fehler zu, entschuldigt sich vielmals bei beiden Beamten, die sich daraufhin ebenfalls einsichtig zeigen und von einer Strafzahlung absehen. Am Ende verabschiedet man sich sogar per Handschlag voneinander. Ein Reisemobil fahrt vorbei, aus dem gut gelaunte Menschen der Motorradfahrertruppe und den beiden Ordnungshütern zuwinken. Alles ist gut. Alles?
Am kommenden Tag ruft Neururer bei seiner Familie in Deutschland an. Seine Frau nimmt den Hörer ab.
»Hallo Schatz, hier ist alles Klasse, herrliches Wetter, das Bilcen macht irre ...«, weiter kommt Neururer nicht.
»Sag, mal, hattest du schon wieder Theater mit der Polizei?«, unterbricht ihn seine Frau.
»Wer sagt das denn?«, fragt Neururer.
»Ja, in der >Bild< war heute so ein Foto abgedruckt, auf dem du mit Polizisten in Amerika zu sehen bist.«
Aber nicht nur in den USA, auch auf Schalke geraten Personen in den Fokus von Ermittlern. Eines frühen Morgens steht die Staatsanwaltschaft vor der Tür von Vereinsgeschäftsführer Heribert Bruchhagen. Der ehemalige Lehrer wird verdächtigt, illegale Wetten abgeschlossen zu haben. Auch Peter Neururer ist in die Angelegenheit involviert, er gehört zu dem Kreis von Fußballwettfreunden um Bruchhagen und den ehemaligen Schalker Spieler Hannes Bongartz, inzwischen Trainer bei Wattenscheid 09, dessen Präsidenten Klaus Steilmann und Schalke-Boss Eichberg. Die Ergebniswetten werden damals durch Bruchhagen von einem Fax auf der Geschäftsstelle des FC Schalke an einen privaten Wettanbieter nach Duisburg übertragen, das Geld zeitgleich überwiesen. Doch statt-wie von Bruchhagen angenommen - die Einsätze in legale Kanäle weiterzureichen, werden sie auf dem Weg dorthin - ohne Bruchhagens Kenntnis - in illegale Kreise abgezweigt. So wird die Bochumer Staatsanwaltschaft auf die Schalker Wettfreunde aufmerksam. Gegen Bruchhagen als Faxversender und damit Urheber wird etwa anderthalb Jahre lang ermittelt, dann zahlt er 2000 Mark an einen karitativen Zweck. Nach eigenen Aussagen haben Bruchhagen und die anderen immer nur auf Siege der eigenen Mannschaft gewettet.
Anfang November 1990, kurz nach Beginn von Neururers zweiter Saisoh, steht der FC Schalke 04 auf einem Aufstiegsplatz in die Erste Liga, der Club ist genauer gesagt punktgleich mit dem Tabellenführer aus Duisburg. Man hat zwar gerade nur 1:1 gegen Fortuna ICöln gespielt, ist kurz zuvor aber durch ein stattliches 4:0 gegen Eintracht Braunschweig ins Achtelfinale des DFB-Pokals eingezogen. Entsprechend merkwürdig mutet für Außenstehende und Peter Neururer an, was dann geschieht.
Drei Tage nach dem Spiel in Köln, am 14. November 1990, stellt Neururer die Mannschaft im
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