Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Pflichtspiel bis fünf Uhr morgens unterwegs sind. Noch vor dem Frühstück hat Neururer die entsprechende Info erhalten, er konfrontiert die betreffenden Spieler: »Jungs, seht zu, dass wir heute gewinnen, sonst gibt es Ärger. Und wenn das noch mal vorkommt, schmeiße ich euch alle raus.« Der Trainer selbst geht, was die Einhaltung der Sperrstunde anbetrifft, mit gutem Beispiel voran.
Am Abend vor einem Heimspiel gegen Fortuna Köln besucht Neururer mit seiner Familie seinen Lieblingsitaliener »La Scala« in Gelsenkirchen. Kurz nach 19 Uhr trifft die Familie in dem Lokal ein, Neururer isst, trinkt zwei Gläser Wein, etwa zwei Stunden später macht er sich auf den Weg nach Hause. Auch er will ab 22 Uhr zu Hause erreichbar sein.
Am Morgen danach betritt Neururer das Gelsenkirchener Maritim-Hotel, in dem seine Mannschaftvor den Heimspielen im Parkstadion untergebracht ist. Als Neururer durchs Foyer geht, kommt ein Schalke-Anhänger auf ihn zu.
»Hey, Trainer«, sagt der Fan auf eine vertrauliche Art zu Neururer, »gestern Abend im >La Scala< aber schön den Arsch voll gehabt, ne?«
»Bitte, was?«, erwidert Neururer.
»Komm, du hast schön den Arsch voll gehabt. Musst zusehen, dass du heute gewinnst, sonst gibt's hier mächtig Theater, Trainer!«
Neururer versteht nicht, auf was der Mann hinauswill. Aber der brabbelt ohnehin einfach weiter: »Ja, dat kann ja wohl nicht sein, dass der Trainer am Abend vor einem Spiel voll besoffen ist...«
Schalke 04 gewinnt das Spiel gegen Köln, es gibt kein Theater, aber die Episode zeigt, wie sich Informationen im Fußballgeschäft verbreiten: Es wird erzählt, es wird gehört, es wird weitergegeben. Unreflektiert, ungeprüft. Verliert Schalke gegen Köln und die Geschichte des vermeintlich besoffenen Trainers Neururer gerät in die Öffentlichkeit, kann das auch schon mal den Arbeitsplatz kosten.
Wer im Fußballgeschäft tätig ist und einen gewissen Popularitätsgrad via Fernsehen, Zeitschriften, Magazinen und Internet erreicht hat, der kann auch davon ausgehen, dass seine Worte und Taten sofort medial aufgegriffen werden. So wie etwa die folgende und zunächst kleine, später dann quasi weltbekannte Episode.
Vielleicht nicht als erster Trainer der Weltfußballgeschichte, wohl aber als Erster in Deutschland, führt Peter Neu-rurer in den 1980er-Jahren eine eigene Spielerdatenbank. Ein Freund hatte ihm ein kleines Programm für den heimischen PC geschrieben, das Neururer dazu nutzt, seine bei Spielbeobachtungen ins mitgeführte Diktiergerät hineingesprochenen Bewertungen einzelner Spieler zu erfassen. Mehr als 3000 Profile hat sich Neururer über die Jahre in mühsamer Zweifingertipperei zusammengeschrieben. Er ist stolz auf seinen sorgsam gepflegten Datenbestand wie andere auf ihren fleißig gehegten Schrebergarten.
Eines Abends, als der Trainer wieder mal mit einem Update seiner Profile beschäftigt ist, kommt der dreijährige Sohn Jörn in Papas Arbeitszimmer im Keller des Wohnhauses in Gelsenkirchen. Da klingelt oben im Wohnzimmer das Telefon. Neururer verlässt das Zimmer, nimmt im Erdgeschoss das Gespräch an und bekommt natürlich nicht mit, dass der kleine Jörn im Keller währenddessen auf den Arbeitsstuhl klettert und sich an der Tastatur des Computers zu schaffen macht- auf dem Bildschirm blinkt's so schön, und die Tasten klackern hübsch.
Als Peter Neururer irgendwann das durch seinen Sohn ausgelöste Geklacker hört, ist es bereits zu spät - zumindest für mehr als die Hälfte der vom Papa mühsam erfassten Spielerdaten. Sohn Jörn hat sie mit seinem Fingerspiel unwiederbringlich gelöscht. Deutschland lacht über diesen Vorgang-Peter Neururer nicht. Es wird eine ganze Weile dauern, bis er seine Datenbank wieder auf Stand gebracht bekommt.
Das Interesse an der öffentlichen Person Neururer erlöscht auch außerhalb der Landesgrenzen nicht, selbst dann nicht, wenn man noch einen großen Ozean dazwischenpackt, wie der Trainer ein paar Jahre später erfahren muss. Mit Freunden bricht er in den USA jedes Jahr zu einer Tour aufMotorrädern der Kultmarke Harley-Davidson auf. An einem Tag sind sie auf dem Weg von Florida hoch nach South Carolina und wieder zurück über Georgia, Endpunkt ist Key West in Florida. Man fährt in Formation.
Auf der kaum befahrenen Straße mitten durch die Ever-glades zuckelt Neururer inmitten seiner Freunde, er trägt die einschlägigen Lederklamotten. Was er nicht trägt, ist einen Helm. In Florida, das hat Neururer vor
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