Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
das ist weggeschwiegen worden. Neururer glaubt, dass Kremers damals den Wunsch seines Präsidenten über die eigenen Ansichten gestellt hat. Günter Eichberg hat Peter Neururer Jahre später einmal in einem persönlichen Gespräch erklärt, er habe damals tatsächlich den Aufstieg in Gefahr gesehen - deswegen habe er die Notbremse ziehen müssen. Noch heute, die beiden pflegen wieder einen normalen Umgang miteinander, begrüßt Eichberg Neururer mit der Floskel: »Mein Lieblingstrainer.«
Dieser Lieblingstrainer hat sich nach seiner Beurlaubung auf Schalke ein neues Ziel gesetzt. Peter Neururer will um jeden Preis vor den Königsblauen in der Ersten Liga sein. Doch statt Angeboten aus der Bundesliga erhält er erste Anfragen aus dem Ausland - die türkischen Clubs Fenerbahce, Trab-zonspor, Panathinaikos aus Athen und Bologna rufen an. Aber Neururer will nicht weg, er will in die Bundesliga, und das kann nicht harten. Er wird es diesen Schalkern zeigen. Er wird es Günter Eichberg zeigen. Noch ahnt Peter Neururer nicht, dass er für dieses Vorhaben einen hohen Preis wird zahlen müssen.
Viel Hertha geht's nicht mehr - Berlin
Als Peter Neururer bei Hertha BSC Berlin gerade als Trainer beurlaubt worden ist, erhält er zum Ende der Spielzeit 1990/91 eine wirklich nett gemeinte Einladung nach Schalke. Seine Ex-Mannschaft lädt ihren Ex-Trainer zum Heimspiel am 16. Juni gegen den SV Darmstadt 98 ein; das Spiel, in dem Schalke im Parkstadion die Rückkehr in die Erste Bundesliga feiert. Während unten auf dem Spielfeld und auf den Rängen gejubelt wird, sitzt oben unterm Dach der riesigen Haupttribüne einer, der denkt: »Warum tust du Idiot dir das hier eigentlich an?«
Neururer sieht, wie Schalke den Aufstiegspräsidenten Günter Eichberg und seinen Amtsnachfolger feiert, den Aufstiegstrainer Aleksandar Ristic. So ist das im Fußball. Es wird dann doch schneller vergessen, als man gucken kann. Auch bei einem Traditionsverein wie Schalke 04, der ohne die Leistung Neururers Gefahr zu laufen drohte, nicht mehr als nur noch ein Mythos zu sein. Peter Neururer sitzt da, er weint. Denn: Peter Neururer ist nicht derjenige, der aufgestiegen ist. Zwar gratulieren ihm Stadiongäste, schütteln ihm die Hände und bedanken sich. Aber: Peter Neururer wird nicht gefeiert. Er ist nicht dabei, kein Teil des Erfolgs. Zwar hat er es kurzzeitig geschafft, vor Schalke in der Ersten Liga anzukommen. Aber, was zählt das jetzt noch nach seinem Rauswurf bei der Hertha? Tief drinnen hofft Peter Neururer in diesem Moment, in dem allen außer ihm zum Feiern zumute ist, dass er irgendwann noch einmal zum FC Schalke 04 zurückkehren wird. Das hilft ihm, den Schmerz zu verdrängen.
Anfang 1991, nach dem Ende seiner Zeit auf Schalke, ist Neururer zunächst einmal überrascht, dass er lediglich ein paar Offerten aus dem Ausland, aber kein einziges Angebot aus Deutschland erhält. Neururer hält sich in dieser Phase für einen der Shootingstars im nationalen Trainergeschäft, gemeinsam mit dem inzwischen von Köln zum VfB Stuttgart gewechselten Christoph Daum.
Anfang März ist Neururers Frau Antje im Auto mit den beiden Kindern in Gelsenkirchen unterwegs, da erhält Neururer einen Anruf von Reinhard Roder, dem Manager von Hertha BSC Berlin. Der ehemalige Bundesliga-Profi Roder ist nach erfolgreicher Tätigkeit im Jahr zuvor aus Uerdingen an die Spree gekommen. Neururer kennt Roder, die beiden haben in der Freizeitmannschaft des WDR-Radioreporters Eddy Körper ein paar Mal miteinander gekickt. Roder lädt Neururer zu einem sofortigen Gespräch nach Berlin ein. Vier Monate nach seinem Ende auf Schalke wittert Neururer endlich die von ihm so" sehr ersehnte Erstligaluft. Er steigt in sein Auto und macht sich zum Düsseldorfer Flughafen auf. Kurz nach seiner Abfahrt kommt ihm seine Frau im Fahrzeug mit den Kindern entgegen. Die beiden Autos halten nebeneinander. Die Fensterscheiben werden runtergelassen.
»Schatz, wo willst du hin?«, fragt Antje Neururer ihren Mann.
»Ich fahr zum Flughafen.«
»Wieso zum Flughafen?«
»Ich fliege nach Berlin. Ich verhandele heute noch mit Hertha BSC.«
»Das meinst du nicht im Ernst?«
»Doch.«
Neururers Frau kennt sich im Fußballgeschäft nicht aus, aber sie kann die Tabelle lesen und weiß, dass Hertha zu diesem Zeitpunkt ausweislich nicht zu den ersten Adressen in der Ersten Liga zählt.
Gestartet ist die »alte Dame« in die Saison mit Werner Fuchs auf der Bank, im November hat dann Pal Csernai
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