Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
übernommen. Unter dem Ungarn, der sich und seinem Einstecktuch Ende der 1970er-, Anfang der i98oer-Jahre als Trainer von Bayern München in Deutschland einen Namen gemacht und später noch kurz Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt trainiert hat, ist die Hertha in den Sinkflug geraten. In den vier Monaten seiner Amtszeit hat Csernai Hertha auf den letzten Tabellenplatz geführt, nach der schlimmen 0:3-Auswärtsniederlage beim Mitabstiegskonkurrenten Karlsruher SC beträgt der Rückstand der Berliner fünf Punkte auf den 17. aus Uerdingen. Sechs Punkte sind es bis zum rettenden Ufer - 14 Spieltage bleiben noch, den Abwärtstrend zu stoppen und umzudrehen. Dass Neururers Schaffensperiode bei Hertha noch kürzer als die seines Vorgängers sein wird, ahnt er nicht. Neururer ist blind für alle Warnzeichen, die ihm begegnen. Die kommenden Wochen lesen sich so:
21. Spieltag, 0:2 gegen 1. FC Kaiserslautern
Nachholspiel vom 17. Spieltag, 1:3 bei Bayer Leverkusen
22. Spieltag, 2:4 bei Fortuna Düsseldorf
23. Spieltag, 2:4 gegen VfL Bochum
24. Spieltag, 0:6 bei Werder Bremen
25. Spieltag, 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach
26. Spieltag, 1:2 beim 1. FC Köln
27. Spieltag, 1:4 gegen den Hamburger SV
28. Spieltag, 1:5 bei Eintracht Frankfurt
29. Spieltag, 2:2 gegen Borussia Dortmund
30. Spieltag, 2:3 gegen Wattenscheid 09
31. Spieltag, 3:7 bei Bayern München
Nach einer Serie von zwölf Spielen ohne Sieg, zwei Unentschieden und 16:43 Toren wird Neururer drei Tage nach der Auswärtsniederlage gegen Bayern München entlassen. Seine Amtszeit bei der Hertha beträgt 65 Tage.
Doch so deutlich sich die Zahlen auf Papier auch lesen mögen, ganz nüchtern hat sich die Zeit bei der »alten Dame« in der Hauptstadt dann doch nicht gestaltet - im Gegenteil.
Dass Hertha BSC zu jenem Zeitpunkt, da der Verein mit Neururer verhandelt, ein absoluter Katastrophenclub ist, weiß Neururer nicht. Dass der Tabellenplatz Rückschlüsse auf den Zustand des Vereins zulässt, will Neururer nicht sehen -zumal seine Erfahrungen mit Schalke ja die gewesen sind, dass der Tabellenstand nicht unbedingt ein Abbild des Leistungsvermögens der Mannschaft sein muss. Auch als er nach der Landung*zum Termin mit Roder am Flughafen bereits von Hertha-Fans willkommen geheißen wird, ehe er überhaupt in Verhandlungen mit dem Club getreten ist, fragt sich der Trainer nicht, woher die Anhänger denn so schnell erfahren haben, dass und vor allem wann er in Berlin ankommt.
Die Verhandlungen mit Roder gehen zügig voran, über Geld wird nicht groß und lange gesprochen, Neururers Salär bewegt sich in den Dimensionen, die er auch auf Schalke erhalten hat - zuzüglich einer sehr hohen Prämie im Falle des Nichtabstiegs. Zudem erhält der Trainer von seinem ehemaligen königsblauen Arbeitgeber - Inhalt der Absprache zur Beurlaubung zwischen Eichberg und Neururer - auch weiterhin Bezüge. Insofern ist die finanzielle Seite des Deals mit der Hertha nicht von oberster Bedeutung. Neururer ist an diesem Tag ohnehin alles egal, er will einfach endlich Erste Liga sein, entsprechend kann es ihm bei den Verhandlungen gar nicht schnell genug gehen. Ob er glaube, dass er mit der aktuellen Mannschaft den Klassenerhalt noch schaffen könne, fragt ihn Roder. »Ja, klar«, sagt Neururer, »kein Problem.« Probleme gibt es an diesem Tag einfach nicht.
Zunächst gibt es die auch nicht mit der Mannschaft. Neururer kennt die Spieler Norbert Schlegel, Wolfgang Patzlce, Michael Jakobs, Theo Gries und Walter Junghans, weil er sie zum Teil schon betreut hat oder aber sie aus dem Umfeld seiner Ex-Vereine Aachen und Schalke stammen. Dazu kommen Ex-Nationalspieler Uwe Rahn, auf links Armin Görtz, André Winkhold, der norwegische Innenverteidiger Jan-Hal-vor Halvorsen - zudem noch ein paar für Neururer Namenlose: die jüngeren Mike Lünsmann und Marco Zernicke sowie Dragutin Celic, eine Art Spielmachertyp.
Nach den erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen bleibt Neururer gleich in Berlin. Er hat noch nicht unterschrieben und will sich in einem quasi letzten Check am kommenden Morgen ein Bild von seiner neuen Mannschaft machen, will den Kader elf gegen elf spielen lassen. Denn am Wochenende steht das Heimspiel gegen den Tabellendritten aus Kaiserslautern an.
Neururer lässt also zwei Mannschaften von Roder aufstellen - die Stammformation gegen die zweite Reihe. Der neue Trainer sieht sich das Spiel in Gesellschaft von Roder und Co-Trainer Karsten Heine an. Noch
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