Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
besetzt, der Vorstand will sichergehen, dass der Club im Jahr seines 100-jährigen Bestehens wieder in der Ersten Fußball-Bundesliga spielt. Es wird viel Geld in die Hand genommen, um ein Team zusammenzustellen, das den Aufstieg »auf sicher« hinbekommt. Uwe Harttgen kommt von Werder Bremen, Stefan Studer wechselt von Wattenscheid 09, und für den Sturm wird die Doppelspitze Andrzej Kobylanski (von TeBe Berlin) und Torsten Gütschow (aus Jena) angeschafft.
Aber Trainer Rolf Schafstall, ein Mann mit viel Erfahrung und ein Vertreter der alten Schule, gelingt es nicht, das Starensemble - für Zweitligaverhältnisse - zum Laufen zu bringen. Als Schafstall dann gegen Hertha BSC Berlin, den FC St. Pauli und Mainz 05 drei Niederlagen in Folge zu verantworten hat und Hannover somit am 11. Spieltag statt auf dem dritten auf dem drittletzten Tabellenplatz liegt, trennt der Vorstand sich vom Trainer und begibt sich auf die Suche nach einem erfolgversprechenderen Mann.
Es dauert eine Woche, bis der Vorstand um Präsident Dieter Braun den neuen Trainer Peter Neururer präsentiert, der damit nach knapp anderthalb Jahren endlich wieder Verantwortung für eine Mannschaft im bezahlten Fußball übernehmen kann. Das größte Problem der Mannschaft ist für den neuen Coach schnell ausgemacht: Sie hat kein Zusammengehörigkeitsgefühl. Entsprechend tritt die Truppe auch in der Liga auf. Immerhin holt Neururer in den ersten vier Spielen fünf Punkte und die Mannschaft damit zunächst einmal von den Abstiegsplätzen runter. Aber entscheidend kommt man in der Folge nicht aus dem Keller weg.
Dabei kann Neururer sich nicht mal auf die erfahrenen Kräfte im Kader verlassen. Lothar Sippel ist ein solcher Spieler. Der 29-Jährige hat für Hessen Kassel, Eintracht Frankfurt und zuletzt Borussia Dortmund gespielt. Jetzt ist er ein 96er. Doch was am 19. März 1995 im Kopf Sippeis vorgeht, dafür fehlt Peter Neururer bis heute jegliches Verständnis.
Für Neurarer ist das an diesem Tag angesetzte Ligaspiel beim 1. FC Saarbrücken, seinem Ex-Verein, natürlich ein besonderes; Er will den Platz im Ludwigspark unbedingt als Sieger verlassen. Dafür spricht weniger die in der Vorwoche gegen Chemnitz erlittene 1:4-Niederlage, sondern schon eher die Tabellensituation. Hannover liegt als 16. auf einem Abstiegsplatz, die Saarbrücker sind jedoch gerade mal einen Punkt und Platz besser.
Lothar Sippel ist bei Eckbällen der Gastgeber einem jungen Saarbrücker Nachwuchsmann zugeteilt worden. Als es in der 7. Minute der Partie zu einer Ecke für den FCS kommt, steht Sippel neben seinem Gegenspieler im Strafraum. Plötzlich zieht der Routinier in voller Absicht seinen Ellbogen durch das Gesicht des Saarbrücken. Sofort bekommt Sippel von Schiedsrichter Norbert Haupt Rot gezeigt. Er geht vom Feld, doch statt sich bei seinem Trainer für die Dummheit zu entschuldigen, sagt er: »Ich bin von dem Typen dauernd provoziert worden.«
Das Spiel geht mit 0:3 verloren; der Spieler Sippel wird beim Trainer Neururer nicht mehr glücklich, er macht kein Spiel mehr unter dem Coach. Einem weniger routinierten Mann hätte Neururer ein solches Fehlverhalten möglicherweise so gerade noch durchgehen lassen. Wenn es eine Erklärung gibt, dann kann Neururer auch die anschließende Entschuldigung annehmen. Bei Sippel mangelt es ihm jedoch an der Einsicht und dem nötigen Bewusstsein für die eigene Situation - und die der Mannschaft.
Deren Gesamtzustand bessert sich im Verlauf der Rückrunde, vor allem, als es im Endspurt der Saison darauf ankommt, hat Peter Neururer seine Jungs in der Spur. Ab dem 24. Spieltag (eingeleitet durch einen 4:i-Sieg gegen Fortuna Köln) verliert Hannover 96 keines der folgenden neun Spiele, und das letzte in dieser eindrucksvollen Serie ist das 1:1 zu Hause gegen den Regionalrivalen und Tabellendritten VfL Wolfsburg. Mit dem Punkt aus diesem Spiel am Freitagabend ist der Klassenerhalt im Prinzip gesichert, denn die letzten beiden Saisonspiele müsste Hannover verlieren und der FSV Zwickau seine beiden ausstehenden Partien jeweils gewinnen.
Da bis zum nächsten Pflichtspiel in der Liga eine Pause von zwei Wochen ansteht, fahren Mannschaft und Trainer von Hannover aus für eine Woche ins Ostseebad Timmendorfer Strand. Dort will man neben der Vorbereitung auf die letzten beiden Saisonspiele auch schon ein wenig den Klassenerhalt feiern. Es ist ein kurzes Spaß-Trainingslager. Die Mannschaft hat ihre Freude, die Stimmung im Bus auf der Rückfahrt
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