Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
ist ausgelassen.
In der Zwischenzeit hat es Veränderungen an der Vereinsspitze bei 96 gegeben. Ein neuer Präsident ist da, ein Mann namens Klaus-Dieter Müller, der sein Geld mit Immobilien macht, Wein aus Südafrika importiert und dem ein Hang zur Esoterik nachgesagt wird. Angeblich pendelt der 36-Jährige die Dinge aus oder lässt sich schon mal Karten legen. Müller ist auf einer turbulenten Mitgliederversammlung ins Amt gekommen, die sein Vorgänger Dieter Braun durch einen Rücktritt notwendig gemacht hat. Auf der Versammlung, auf der ein neuer Präsident gewählt werden soll, tritt Braun zunächst vom Rücktritt zurück, um plötzlich dann doch wieder zu verkünden, er werde zurücktreten.
Der neue Präsident Müller ist derweil ins Amt gekommen mit der populär-populistischen Ansage, er werde 96 wieder auf ein stabiles wirtschaftliches Fundament stellen. Man werde sich von den teuren, leistungsschwachen Altstars trennen und künftig auf die kickende Jugend aus der Region setzen. Müller ist kein öffentlich erklärter Gegner Neururers, er mag dessen Sprüche aber nicht, und er hat in seiner Wahlkampfkampagne fürs Präside'ntenamt auch nicht auf die Unterstützung Neururers zählen können. Der Trainer hatte sich auf die Seite des Braun-Vorstands geschlagen. Neururer ist Braun und dessen Kollegen zu Dank verpflichtet, sie haben ihm das Vertrauen gegeben, 96 als Trainer zu führen. Zudem ist in der Rückrunde der Meisterschaft - im Kampf gegen den Abstieg - zwischen Mannschaft, Trainer und Vorstand eine Einheit entstanden. Diese war mit der Übernahme des höchsten Amtes im Verein durch Müller nun brüchig.
Neururer gießt dann selbst noch ein bisschen Öl ins Feuer. In der Euphorie über den wohl klassenerhaltenden Punkt gegen den VfL Wolfsburg bedankt er sich für die Glückwünsche und sagt: »Sehr nett, ich gebe die Komplimente gern an die Mannschaft weiter. Aber man darf eins nicht vergessen: Diese Leistung, die wir gebracht haben, ist nur möglich gewesen dank des alten Präsidiums.« Dieter Braun und seine Kollegen haben die Verpflichtungen der erfahrenen Jürgen Luginger und Stefan Emmerling in der Winterpause noch ermöglicht. Neururer: »Und ohne diese Spieler hätten wir das nicht geschafft.«
Nach dem Spaß-Trainingslager am Timmendorfer Strand fahrt man also im Mannschaftsbus nach Hause. Neben Neururer sitzt gemütlich Werner Bock, der Kultobmann von 96. Neururers Handy klingelt, der neue Präsident Müller ist dran: »Trainer, wann kommen Sie an? Wir müssen uns sofort treffen. Im Marriott Courtyard. Wir müssen uns dringend unterhalten.«
Neururer denkt, es gehe um die Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrags - er irrt. Denn tatsächlich eröffnet Müller ihm bei dem Treffen im Hotel, dass er fristlos entlassen ist. Der wirkliche Grund dürfte in der verletzten Eitelkeit Müllers liegen; die offizielle Vorhaltung lautet, Neururer habe einen Affront gegen den neuen Vorstand begangen, indem er den alten öffentlich gelobt habe. Gegenüber Medienvertretern begründet Müller die Trennung vom Trainer noch einmal anders: »Wir machen einen radikalen Schnitt und wollen einen Trainer, der mit jungen Leuten arbeiten kann. Neururer dagegen möchte eine fertige Mannschaft.«
Nachdem er Neururer zwei Spieltage vor Ablauf seines Vertrags die Kündigung ausgesprochen hat, scheint es zunächst so, als wolle er den Trainer noch die beiden restlichen Spiele absolvieren lassen. Ein weiterer Irrtum ¡Müller verhängt kurz darauf sogar ein Stadionverbot gegen Neururer. Es dürfte das erste in der Geschichte der Bundesliga gewesen sein, dass keinen Hooligan trifft. Erst 3817 Tage später, als Neururer als Trainer zu Hannover 96 zurückkehrt, wird dieses Verbot offiziell aufgehoben. Gegriffen hat es - nebenbei bemerkt - schon vorher nicht. Denn als Gästetrainer hat Peter Neururer in den Tagen dazwischen einige Male uneingeschränkten Zugang zum Niedersachsenstadion erhalten.
Zwischen allen Stühlen - Köln
Die Beziehung zwischen dem 1. FC Köln und Peter Neururer beschränkt sich nicht auf einen Arbeitsvertrag. Neururer ist seit Kindertagen Anhänger des Geißbockclubs. Wegen des FC ist er zum Studium nach Köln gezogen, er ist ständiger Gast bei den Trainingseinheiten am Geißbockheim. 1978 sitzt er auf der Tartanbahn im Hamburger Volksparkstadion, als Köln St. Pauli am letzten Spieltag der Saison bezwingt und Deutscher Meister wird - trotz eines eigentümlichen 12:0 von Verfolger
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