Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
Trainingsanzug und Adiletten.
Das Bild passt perfekt zu jenem Image, das in der Öffentlichkeit zu dieser Zeit von Neururer existiert und das sich bis heute in weiten Teilen erhalten hat: Neururer ist der bunte Vogel in den geschmacklosen Trainingsanzügen aus Ballonseide, der auf der Bank Kette raucht, immer Schnauz und manchmal zu große Pilotensonnenbrillen trägt. Ein cleverer Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet mit einer sensationell großen Klappe. Ein nicht mehr ganz Namenloser, der um jeden Preis auffallen, weiter nach oben will. »Der von mir gewünschte Effekt trat ein«, sagt Neururer im Blick zurück. »Auf einmal war ich wer.«
In Saarbrücken lenkt er die Blicke ganz bewusst auf sich. Neururer gilt als der große Motivator, der große Psychologe, weil er es irfit einer vermeintlichen Gurkentruppe geschafft hat, in die Erste Fußball-Bundesliga aufzusteigen. Dabei lässt er wirklich keine Gelegenheit aus, einen seiner Sprüche anzubringen, deren Pointen in ihrer Mischung aus intelligenter Flapsigkeit und Witz einzigartig sind, die aber nicht bei jedem gut ankommen. Vor allem dann nicht, wenn die Leistung der Mannschaft alles andere als lustig ist. Da wird aus dem großen Motivator Neururer in Saarbrücken plötzlich der miese Sprücheklopfer. Dass er die kunterbunten Trainingsanzüge etwa anziehen muss, weil deren Hersteller ein Teil seines Gehalts übernimmt, dringt nicht an die Öffentlichkeit, Neururer thematisiert es auch nicht - er würde ja dem Sponsor und damit seinem Verein schaden.
Das Ende in Saarbrücken führt bei Neururer zu einem Umdenken. »Ich habe in Bezug auf mich Sprüche rausgehauen, die in keinem Verhältnis zu meiner Position standen«, sagt Neururer heute. »Ich habe bewusst Vorstände provoziert und das nach außen getragen.« Die des 1. FC Saarbrücken bezeichnet er nicht nur einmal als »Idioten«. Seine Großmäuligkeit kennt allerdings auch Grenzen. Während sein Studienkollege Christoph Daum, der andere »Lautsprecher der Liga«, in seiner Kölner Zeit den Trainerkollegen und Meisterschaftskontrahenten Jupp Heynckes von Bayern München öffentlich angreift, bleibt Neururer seiner Linie treu: Über die Arbeit von Trainern bei anderen Vereinen verliert er öffentlich nie ein schlechtes Wort.
Neben dem Entschluss, sich mit Äußerungen über Ver-einsinterna in der Öffentlichkeit zurückzunehmen, stellt er auch das Rauchen auf der Bank während des Spiels ein. Ausschlaggebend dafür ist ein Femsehbericht in der damals noch existierenden Bundesliga-Sendung »ran« des Privatsenders Sat.i über das Spiel seiner Mannschaft beim Tabellendritten Borussia Dortmund.
Der amtierende Vizemeister wird von Ottmar Hitzfeld trainiert und kann sich zu diesem Zeitpunkt Hoffnungen auf den Gewinn der Meisterschaft machen. Saarbrücken spielt nicht schlecht, verliertaber 0:3. In dem Berichtwird Neururer eingeblendet. Er sitzt in einem mit Werbeträgern zugenähten Harlekinstrainingsanzug auf der Bank. Die Kamera schwenkt hinüber zu Ottmar Hitzfeld in Anzug, Hemd, Krawatte. Die Bilder sprechen eine eindeutige Sprache: hier der Proll-Trai-ner Neururer - dort der Gentleman-Trainer Hitzfeld. Dazu erlaubt sich die freche Spaßvogel-Redaktion von »ran« noch einen Bildtrick: Als Neururer den Zigarettenrauch durch die Nase ausbläst, lässt man diesen Vorgang ein paarmal hin-tereinanderweg laufen: Rauch rein, Rauch raus, Rauch rein, Rauch raus, Raus rein... Es ist ein Bild, das sich einprägt und dessen Botschaft lautet: Neururer ist ein Gossen-Trainer. Das hat Folgen.
Als er diese Bilder in der Wiederholung sieht, fasst Neururer einen Entschluss: Ich ändere mich. Später wird Neururer bei Spielen auch sein Outfit wechseln. Statt Trainingsanzug trägt er Sakko und dunkle Jeans, manchmal sogar Krawatte. Dass Neururer sich verändert hat, transportieren die Journalisten nicht in die Öffentlichkeit. Was auch damit zu tun haben mag, dass Neururer nach dem Abstieg mit Saarbrücken erst mal für eine Zeit aus der Ersten Fußball-Bundesliga verschwindet.
Der erste Versuch - Hannover
Die Anstellung bei Zweitligist Hannover 96 bedeutet für Peter Neururer einen Einschnitt. Bis dahin hat er sich noch mit jedem Präsidium seines jeweils Arbeit gebenden Vereins zu irgendeinem Zeitpunkt angelegt. Bei Hannover 96 bleiben die Probleme zunächst aus. Neururer ist erfolgreich. Und doch wird er nach einem halben Jahr vor die Tür gesetzt.
Die Mannschaft von 96 ist in der Saison 1994/9 5 vom Papier her sehr gut
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