Peter Nimble und seine magischen Augen
sich aus, schaute ins Feuer und versuchte, nicht an Essen zu denken. Einen Moment lang glaubte er, Geräusche gehört zu haben – Schritte und Geflüster. Er setzte sich auf und lauschte, doch da war nur der Wind.
»Du glaubst doch nicht etwa, dass da draußen irgendetwas ist?«, sagte Sir Tode, der die Unruhe seines Freundes bemerkt hatte. »Ein schrecklicher Unhold, der durch die Wüste schleicht?«
»Wer weiß?«, entgegnete Peter. »Aber es hat keinen Sinn, sich deswegen Sorgen zu machen. Im Moment sind wir allein, und wir brauchen so viel Schlaf wie nur möglich, wenn wir die Hitze morgen überstehen wollen.« Und damit löschte er das Feuer und legte sich hin.
Doch leider hatte Peter sich mächtig geirrt. Denn keine drei Meter von ihnen entfernt lauerte genau so ein Unhold.
9. Kapitel
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ARMER ALTER SCABBS
M itten in der Nacht wurde Peter davon wach, dass jemand in seinem Diebessack kramte, den er als Kopfkissen benutzte. Innerhalb eines Wimpernschlags war er auf den Beinen. »Keine Bewegung!«, sagte er und zückte seinen Angelhaken.
»Bitte nicht!«, wimmerte eine Stimme. »Armer Alter Scabbs nicht wehtun!« Der Eindringling hatte allen Grund zur Sorge, denn Peters Waffe lag an seinem Hals.
»Ich könnte dich töten, wenn ich wollte«, sagte Peter und drückte ihm die Spitze in die Haut.
»Nein! Armer Alter Scabbs ist harmlos, tut nichts!« Der Mann fiel auf die Knie und bemühte sich nach Kräften, vor Peter im Staub zu kriechen – was allerdings nicht einfach ist,wenn man etwas Scharfes an den Hals gedrückt kriegt. »Es war schrecklich falsch von Armer Alter Scabbs, hier rumzuschleichen! Er wollte nichts Böses, nur ein bisschen am schönen warmen Feuer sitzen. Soll in Stücke gehackt werden, wenn er lügt!«
Peter drehte die Hand des Mannes um und fühlte das D, das in sein Fleisch gebrannt war – dasselbe Brandzeichen, das Officer Trolley auch ihm hatte verpassen wollen. »Glaubst du vielleicht, ich erkenne einen Dieb nicht, wenn ich ihm begegne?«
Der alte Mann entriss ihm seine Hand. » D wie Dieb , sagst du? … D wie dreckiger Trick , sag ich.« Er presste die Hand eng an seine Brust.
Peter lauschte auf das weinerliche Geschniefe des Mannes und kam zu dem Schluss, dass er keine unmittelbare Gefahr darstellte. »Steh auf«, befahl er und senkte seine Waffe.
Unter etlichen Verbeugungen und Dankeschöns rappelte sich der Fremde mühsam auf. »Lieber, vertrauensvoller Kleiner Junge«, sagte er, »Armer Alter Scabbs macht sich jetzt wieder auf den Weg und – «
»Nicht so schnell.« Peter stupste Sir Tode mit dem Fuß an. »Wachen Sie auf. Wir haben ungebetenen Besuch.«
»Ungebetenen Besuch?!« Der Ritter schrak hoch und stieß eine Mischung aus Gähnen und Knurren aus. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Peter meinte, doch als er Alter Scabbs erblickte, war ihm die Lage sofort klar. »Feiger Hund! Dachtest wohl, du könntest uns austricksen und im Schlaf überwältigen, was? Da hast du dich aber getäuscht!« Er schnappte ein paarmal nach den Füßen des Fremden, um seine Kampflust zu demonstrieren. »Gib’s zu, du wolltest die magischen Au- «
»Still!«, unterbrach Peter ihn. »Schauen Sie nur in meinem Sack nach, ob die Kiste noch da ist.«
Sir Tode schob seinen Kopf in den Diebessack. »Scheint alles in Ordnung zu sein – aber was ist das hier?« Er tauchte mit einem großen runden Stein im Maul wieder auf.
Peter nahm den Stein und wog ihn in seiner Hand. Er begriff sofort, dass es ein Täuschungsmanöver war. »Wahrscheinlich hat er ihn in den Sack getan, damit ich nicht merke, dass etwas fehlt.« Doch was hatte Alter Scabbs stattdessen genommen? Peter kam zu dem Schluss, dass es vermutlich schneller ging, den Eindringling zu durchsuchen, als den Inhalt seines Diebessacks zu überprüfen. Er warf den Stein weg und zog den alten Mann zu sich heran, um ihn mit beiden Händen abzutasten.
Wie sich schnell herausstellte, war Alter Scabbs eine der armseligsten Gestalten, die je gelebt hatten. Durch seine seltsam verformte Wirbelsäule war er nur knapp einen Meter zwanzig groß, und seine Knie, Arme, Zehen und Finger waren ganz knotig und verkrümmt. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, aber dafür einen langen verfilzten Bart, der fast bis zum Boden reichte. Nach all den Jahren in der Bußwüste waren von seinen Kleidern nur noch zerfetzte Lumpen übrig, und darunter war sein magerer Körper von dichtem, zerzaustem Körperhaar bedeckt, das in alle Richtungen
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