Peter Nimble und seine magischen Augen
er nicht sehen, was darauf abgebildet war, aber er vermutete, dass es ein Porträt des Königs war. Der Meisterdieb schlüpfte hinter den Wandteppich, von wo er und Sir Tode unbemerkt lauschen konnten.
»Immer noch keine Spur von dem Mädchen, Sire«, berichtete Langkralle. »Aber meine Leute durchsuchen die Tunnel hier, hier und hier.« Während er sprach, schob er irgendwelche Papiere hin und her.
»Was musstet ihr auch die Spätzin zerquetschen«, sagte der König missmutig. »Wir hätten bestimmt noch mehr aus ihr herausgeholt. Ich muss alles über diesen Fremden herausfinden, der meiner Nichte hilft.«
»So schnell, wie er die Ketten von dieser dicken Frau aufgekriegt hat, würde ich sagen, er ist ein Schlossknacker. Vielleicht sogar derselbe, der die Prinzessin befreit hat?«
»Das glaube ich nicht. Ihre Flucht ist Jahre her. Nein, ich vermute, es ist jemand Neues, der gekommen ist, um ihr dabei zu helfen, ihre teuren Untertanen zu retten. Aber das soll er ruhig versuchen. Niemand schafft es, diese Gören an meinen Seeschlangen vorbeizuschmuggeln.«
»Eine brillante Vorsichtsmaßnahme, Sire«, sagte der Affe. »Noch etwas: Heute Morgen haben wir eine Nachricht von Officer Trolley bekommen.«
»Trolley?« Incarnadine lachte spöttisch. »Was hat der alte Trottel denn zu melden? Noch mehr magische Teppiche?«
»Anscheinend ist ein Krieg zwischen den Raben und den Dieben ausgebrochen. Bis jetzt sind beide Seiten gleich stark.«
Der König überlegte kurz. »Das ist ausgezeichnet für unseren Plan«, sagte er. Falls ihr je die Gelegenheit hattet, ein wenig Zeit mit einem genialen Bösewicht zu verbringen, wisst ihr, dass diese Leute es lieben, über ihre hinterhältigen Pläne zu sprechen. Zum Glück von Peter und Sir Tode schien der König gerade zu einem solchen Monolog anzusetzen. »Ich will, dass du den Dieben ein Schiff mit Waffen schickst«, fuhr er fort. »Wenn sie diese Schlacht überleben, können sie uns vielleicht noch von Nutzen sein. Es kann nie schaden, eine Armee von sonnenverbrannten Irren in der Hinterhand zu haben.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass sie Euch noch mal vertrauen, Sire?«
»Mir vertrauen? Natürlich nicht. Aber Diebe sind feige, und ich bin der Einzige, der sie vor dem bewahren kann, was kommt … und das tue ich gerne, wenn sie mir dafür zu Diensten sind. Außerdem ist es ja nicht gerade so, als würden sie in Alternativen schwimmen … jedenfalls noch nicht.« Bei diesen Worten kicherte der König leise in sich hinein. Peter verstand den Scherz zwar nicht, aber er vermutete, dass es etwas mit den großen Jubiläumsplänen zu tun hatte, die Incarnadine bei seiner Ansprache an das Volk erwähnt hatte.
»Peter, auf dem Tisch liegt ein ganzer Stapel Papierrollen«, flüsterte Sir Tode, so leise er konnte. »Wenn der König Schiffe baut, muss er auch eine Möglichkeit haben, sie insWasser zu bekommen … Vielleicht steht auf den Papieren etwas dazu.«
Der Junge dehnte seine Finger. »Überlassen Sie das mir.« Er ging in die Hocke und sammelte ein paar Steine für ein Ablenkungsmanöver auf, während der König und der Affe ihr Gespräch fortführten.
»Wie weit sind die Grabungen vorangeschritten, Langkralle?«
»So wie die Schlangenviecher sich aufführen, sind wir so gut wie durch. Rund um die Bohrstelle sind schon Risse zu sehen. Ich würde sagen, wenn wir uns ranhalten, könnten wir morgen bei Sonnenaufgang bis zum Hals im Wasser stehen.«
»Dann halten wir uns ran. Seit zehn langen Jahren sitze ich in dieser elenden Wüste fest!« Er hob seine gepanzerte Faust, und Peter hörte das Surren eines Uhrwerks. »Jetzt ist endlich die Zeit gekommen, meine Macht auszuweiten. Je eher ich in See steche, desto schneller können wir weitere Affen rekrutieren und ihnen beibringen, so zu sprechen und zu kämpfen wie ihr.« Der König klopfte der zotteligen Gestalt auf den Rücken. »Stell dir nur mal vor, Langkralle, zehntausend Affen unter deinem Befehl … und du natürlich unter meinem.« Die beiden lachten verschwörerisch.
Ihre Feierstimmung wurde von leisen Schritten draußen im Gang unterbrochen. »Was ist denn jetzt wieder?«, fauchte der König, verärgert, weil man ihn mitten in seinem boshaften Lachen störte.
Langkralle stapfte hinaus, kam jedoch kurz darauf zurück. »Da ist niemand, Sire.« Er schnüffelte. »Aber hier riecht’s irgendwie merkwürdig.«
»Ach was. Überall in den Tunneln und in den Minen sind Affen. Niemand würde es wagen …« Er verstummte,
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