Peter Pan
– so sollte es in allen Häusern sein –, mit einem Fußboden, in dem man nach Würmern buddeln konnte, wenn man Lust hatte, angeln zu gehen, und in diesem Boden wuchsen dicke bunte Pilze, die sie als Schemel benutzten. Ein Niemalsbaum gab sich große Mühe, mitten im Zimmer zu wachsen, aber jeden Morgen sägten sie den Stamm ab – gleich über dem Boden. Zur Teezeit war er immer ungefähr einen halben Meter hoch, und dann legten sie eine Tür darauf, und schon war das Ganze ein Tisch. Sobald sie die Tischplatte weggeräumt hatten, sägten sie den Stamm wieder ab, dann hatten sie mehr Platz zum Spielen. Es gab einen riesigen Kamin, der zu al en Seiten hin offen war, und über den Kamin spannte Wendy ihre Wäscheleinen (die aus Pflanzenfasern waren) und hängte dort die Wäsche auf. Das Bett stand tagsüber gegen die Wand gekippt, und abends um halb sieben wurde es heruntergelassen und füllte das halbe Zimmer.
Alle Jungen außer Michael schliefen darin, sie lagen wie die Sardinen in der Dose. Es war streng verboten, sich umzudrehen, bis einer das Zeichen gab, dann drehten sich alle um. Michael sollte eigentlich auch im Bett schlafen, aber Wendy wollte ein Baby, und er war der Kleinste, und du weißt, wie Frauen sind, und kurz und gut – er wurde in einen Korb gehängt.
Das Haus war schlicht und einfach. So ähnlich hätten junge Bären ihr unterirdisches Haus eingerichtet.
Aber es gab eine Nische in der Wand, nicht größer als ein Vogelkäfig, und darin war das Privatgemach von Tinker Bell. Es konnte mit einem winzigen Vorhang von dem übrigen Zimmer abgetrennt werden, und Tink, die äußerst eigen war, zog ihn immer zu, wenn sie sich an-oder auskleidete. Keine Frau, egal wie groß, hätte ein eleganteres Wohnschlafzimmer besitzen können. Die Couch (so nannte sie ihr Bett) war echtes Feenrokoko, mit geschwungenen Beinen. Die Bettdecke wechselte sie mit der Jahreszeit, je nachdem, welche Blütenblätter es gerade gab. Der Spiegel war original Schneewittchen, wovon es nur noch drei vol ständig erhaltene Exemplare im Feenhandel gibt. Der Waschtisch war Marke Ku-chenform und verstel bar, die Kommode echt Prinzessin Chippendale, und Teppich und Bettvorleger waren bester Gestiefelter Kater (die frühe Periode). Es gab einen Kronleuchter der Firma Hutmacher & Haselmaus, aber bloß zum Angucken – natürlich machte Tink in ihrem Prunkgemach selber Licht.
Tink verachtete den Rest der Wohnung, und ihr Zimmer, ihr wirklich schönes Zimmer, sah ziemlich eingebildet aus.
Ich vermute, das alles war sehr aufregend für Wendy, weil diese wilden Jungen ihr soviel Arbeit machten. Wo-chenlang kam sie nicht aus dem Haus – außer vielleicht am Abend mit einem Strumpf, den sie noch stopfen mußte. Das Kochen, glaub mir, hielt sie ständig am Herd fest. Hauptsächlich gab es geröstete Brotfrüchte, chinesische Kartoffeln, Kokosnüsse, Schweinebraten, Zuckeräpfel, Maulbeerbrötchen und Bananen, herunter-gespült mit einem großen Becher Gänseblümchenmilch.
Aber man wußte nie genau, ob es eine richtige oder eine bloß eingebildete Mahlzeit gab, das hing ganz von Peters Laune ab. Er konnte essen, richtig essen, wenn es zum Spiel gehörte, aber er konnte sich nicht vollstopfen, nur um sich dick und vollgestopft zu fühlen, was den meisten Kindern bekanntlich am meisten Spaß macht.
Für Peter war die Einbildung so stark, daß er bei einer solchen Schwindel-Mahlzeit zusehends runder wurde.
Natürlich war das eine mißliche Sache, aber man mußte Peter einfach gehorchen. Wenn man al erdings beweisen konnte, daß man für seinen Baum zu dünn geworden war, durfte man sich doch vollstopfen.
Wendy nähte und flickte am liebsten, wenn alle im Bett waren. Dann hatte sie, wie sie sich ausdrückte, ein bißchen Luft, und das nutzte sie, um ihnen neue Sachen zu machen und doppelte Flicken auf die Hosenbeine zu nähen, denn ihre Hosen sahen immer furchtbar aus.
Wenn sie sich an einen Korb mit Strümpfen machte – in jeder Ferse ein Loch –, warf sie die Arme in die Luft und rief: »Oje, das ist wahr, manchmal denke ich, alte Jungfern ohne Kinder sind doch zu beneiden.«
Ihr Gesicht strahlte, wenn sie das sagte.
Wie nun so die Zeit verging – hat sie da viel an ihre geliebten Eltern gedacht? Das ist eine schwere Frage, weil man unmöglich sagen kann, wie das ist mit der Zeit im Niemalsland, sie wird nach Sonnen und Monden berechnet, und davon gibt es hier viel mehr als auf dem Festland.
Aber ich fürchte, daß Wendy
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