Pfad der Schatten reiter4
magisches Buch, das uns vielleicht dabei helfen kann, die Bresche im D’Yer-Wall zu reparieren. Falls uns das gelingt, wären wir alle gerettet!
Dann habe ich ein Schläfchen auf dem zukünftigen Sarkophag unserer zukünftigen Könige gemacht, weil ich müde war und alles vollblutete – oh, habe ich erwähnt, dass mir einige Zeit davor fast die Hand abgehackt worden wäre? Aber das ist eine ganz andere Geschichte! Auf jeden Fall träumte ich, dass die Toten auferstanden. Das ist das Einzige, woran ich mich erinnere, und ist das etwa ein Wunder, in Anbetracht dessen, wo ich war? Als ich aufwachte, hielt das magische Buch so mancherlei für uns bereit.
Und das , dachte sie, war noch nicht einmal die Hälfte ihres Abenteuers. Aber statt ihre wahren Gedanken preiszugeben, fragte sie fast bettelnd: »Könnt ihr euch nicht einfach für mich freuen?«
»Das tu ich ja, das tu ich ja«, antwortete Stevic. »Ich mache mir lediglich Sorgen um dich, und du erzählst nie viel über deine Arbeit.«
»Mit dem Ritterschlag hat sie noch mehr Ländereien bekommen«, unterbrach Tante Brini, die den Brief des Königs überflog. »Sie kann sich sogar aussuchen wo, überall im ganzen Reich.«
Karigan sah das Licht in den Augen ihres Vaters aufblitzen, und das subtile Lächeln, als kalkulierte er bereits, wie er ihre Landzuteilungen zum Vorteil der Klan-Geschäfte nutzen konnte. Es grenzte an ein Wunder, dass er sich nicht die Hände rieb. Diese Ablenkung war allerdings nur von kurzer Dauer.
»Willst du uns nicht erzählen, wie es kommt, dass der König dir so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat?«, fragte er.
Wenn ihr Vater nur gewusst hätte, was alles hinter dieser Frage steckte und wie gern sie ihren Kopf auf die Tischplatte geschlagen hätte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen.« Sie fand sogar selbst, dass diese Lüge allzu schwach war.
»Ich glaube dir kein Wort«, sagte ihr Vater. »Du verheimlichst uns einiges.«
Karigan wand sich auf ihrem Stuhl. Warum konnte er es nicht dabei belassen? Schließlich hatte auch er seine Geheimnisse. Mit welchem Recht verlangte er also, dass sie die ihren verriet?
»So wie du, weil du es zum Beispiel nie für nötig gehalten hast, uns zu erzählen, dass du zur Mannschaft eines Piratenschiffs gehört hast?«, entfuhr es ihr.
Ein unheilschwangeres Schweigen folgte.
Oh weh!, dachte sie. Sie hatte nicht vorgehabt, dieses Thema so abrupt anzuschneiden, aber jetzt war es geschehen. Ohne Vorrede, ohne sanftes Ermuntern, und es gab kein Zurück mehr.
Die Köchin hastete zur Anrichte und zu ihren Pastinaken zurück, und die Tanten stoben auseinander und machten sich überall in der Küche zu schaffen, aber sie blieben alle in Hörweite, auch wenn sie so taten, als hörten sie nicht zu.
»Ich hatte vor, dir davon zu erzählen«, sagte ihr Vater einige Momente später.
»Wann?«
»Nun, ich … bald. Ich wollte warten, bis du alt genug wärst.«
»Wie alt denn? Achtzig, zum Beispiel?«
»Nein, natürlich nicht. Ich … wie hast du das erfahren?« Er sah seine Schwestern anklagend an, doch sie wiesen die Anschuldigung lautstark zurück und unterstrichen die Beteuerung ihrer Unschuld mit Löffeln und Messern.
Bevor sich jemand durch ein unkontrolliertes Küchenwerkzeug
verletzen konnte, sagte Karigan: »Dir ist nicht einmal klar, wie knapp der Klan an einer Katastrophe vorbeigeschliddert ist. Fast wäre diese Information bekannt geworden. Der König weiß es.«
Darauf verstummten alle.
»Was? Woher denn?«
»Die Mirweller haben die Mannschaftsliste eines bekannten Piratenschiffes ausgegraben, der Goldjäger. Timas – Lord Mirwell – schickte sie dem König.«
»Aber warum? Warum sollte er das tun?«
»Ich bin nicht sicher«, sagte Karigan. »Abgesehen davon, dass Timas Mirwell mich hasst, und zwar schon seit der Schulzeit. Wahrscheinlich wollte er sich an mir rächen, indem er versuchte, Schande über den Klan zu bringen.« Er war sogar derjenige gewesen, der sie damit beauftragt hatte, dem König die Botschaft zu überbringen. Sie hatte damals natürlich keine Ahnung gehabt, was sie da in ihrer Tasche trug. Erst nach der Zeremonie, bei der sie zum Ritter geschlagen wurde, hatte sie es von einem der Ratgeber des Königs erfahren.
»Verdammt«, murmelte ihr Vater. »Aristokraten. Aristokraten und ihre Intrigenspiele.«
»Wir haben Glück, dass der König deine Dienste am Reich so hoch schätzt und deshalb die ganze Angelegenheit unter den Tisch fallen ließ«, sagte Karigan.
Weitere Kostenlose Bücher