Pfad der Schatten reiter4
Befreiung, über Dritte.«
»Über Dritte?«
»Über andere Sänger. Manchmal erfährt Mel ein oder zwei Details von eurem Hauptmann.«
Alton hatte vergessen, dass Mel, die Tochter des Hauptmannes, in Selium studierte.
»Tja«, fuhr Estral fort, »Karigan hat mir kein einziges Wort über ihre Rolle bei Lady Estoras Rettung geschrieben. Aber als sie im Herbst auf der Suche nach Silberholz’ Buch vorbeikam, haben wir lange geredet.«
»Hat sie… hat sie irgendetwas über mich gesagt? Außer dass ich, äh, gemein zu ihr war?« Er schnitt eine Grimasse, als er sich so reden hörte, und fühlte, wie seine Wangen heiß und rot wurden.
Estral sah an ihm vorbei und überlegte vielleicht, wie sie ihm antworten sollte. Er ahnte, dass das nichts Gutes verhieß.
»Es kam zur Sprache«, sagte Estral. »Deine Wut auf sie hat sie wirklich verletzt.«
»Ich weiß.«
»Sie hat verstanden, dass du hier am Wall unter großem Druck standest, aber sie hat nicht verstanden, warum du deshalb so wütend auf sie warst. Trotzdem mag sie dich immer noch sehr gern.«
Alton spürte eine Welle von Schuldgefühlen. Ja, sie hatte ihm verziehen, aber er wusste nicht, ob er sich selbst verzeihen
konnte. »Wie … wie gern denn? Ich meine, wie gern mag sie mich?«
Estral antwortete nicht und richtete ihren Blick auf den Wald, wo Dale gerade aus dem Unterholz wankte. Im nachlassenden Nachtmittagslicht sah ihr Gesicht bleich und abgezehrt aus. Als sie bei Kiebitz ankam, bekam sie anscheinend nicht einmal ihren Zeh in den Steigbügel, um aufzusteigen. Augenblicklich verbannte Alton all seine persönlichen Probleme aus seinen bewussten Gedanken.
»Dale?«, fragte er. »Wie geht es dir?«
Sie beachtete ihn nicht und versuchte erneut aufzusteigen, aber Kiebitz wich ihr aus und sie konnte sie nicht erreichen. Alton wusste, dass Botenpferde manchmal klüger waren als ihre Reiter, deshalb glitt er von Nachtfalkes Rücken und berührte Dales Arm. Sie zitterte und er sah den Schmerz in ihren Augen. Er betrachtete die Brandwunde. Sie sah böse aus, rot, geschwollen und voller Brandblasen.
»Wir rasten hier über Nacht«, verkündete er. »Wir haben noch einen langen Ritt vor uns, und ich glaube, es ist besser, wenn du dich ausruhst, bevor wir weiterreiten.«
Dass Dale nicht protestierte, bewies, wie viel Schmerzen sie hatte. Alton sorgte dafür, dass sie sich, eingehüllt in seinen Überzieher, auf einen Stein setzte, während er und Estral sich um die Pferde kümmerten und das Lager aufschlugen.
Er beobachtete Estral aus dem Augenwinkel, als sie Feuerholz suchte und auf einen Haufen warf, bevor sie wegging, um noch mehr zu holen. Sie arbeitete effizient, schweigend und ohne sich zu beklagen, ganz anders als die typische adlige Städterin, die er erwartet hatte, genauso kompetent wie ein Grüner Reiter. Seine Mundwinkel bogen sich lächelnd nach oben. Dann räusperte er sich und kontrollierte seine Züge, denn ihm fiel ein, dass Dale vorhin gesagt hatte, er würde in letzter Zeit so oft lächeln.
In kürzester Zeit hatten sie zwei kleine Zelte aufgebaut und entzündeten ein Lagerfeuer. Sie machten es Dale in einem der Zelte bequem, und nun brühte Estral Tee auf.
»Ich habe einen großartigen Weidenrindentee, der Dale bestimmt hilft«, sagte sie. »In Selium gibt es einen Apotheker, der nur die beste Qualität führt, und ich bekomme seit Jahren Weidenrindentee von ihm. Gegen Kopfschmerzen. Habe ich oft.«
»Ach.«
Als der Tee nach Estrals Meinung lange genug gezogen hatte, brachte sie die Tasse in das Zelt, in dem Dale sich ausruhte. Unterdessen bereitete Alton für alle eine einfache Mahlzeit aus Brot, kaltem Rindfleisch und Käse. Sie aßen schweigend, während der Himmel über ihnen sich mitternachtsblau färbte und die Sterne mit ihrem funkelnden Licht durchbrachen. In der Nähe kauten die Pferde ihre Getreiderationen, und aus dem Unterholz erklangen die huschenden Geräusche kleiner Tiere. In der Ferne schrie eine Eule.
»Ich will Musik hören!«, schrie Dale aus ihrem Zelt und unterbrach die Stille.
Alton spuckte fast seinen Tee aus.
»Tja«, sagte Estral, »anscheinend habe ich meine Befehle bekommen.« Sie schob die Überreste ihrer Mahlzeit beiseite, öffnete ihren Lautenkasten und stimmte erneut die Saiten.
»Irgendeinen besonderen Wunsch?«, rief sie Dale zu.
»Irgendetwas Gutes, Geiles.« Auf ihre Anordnung folgte etwas, das Alton nur als verdächtiges Feixen werten konnte.
»Was Gutes, Geiles, wie?«, murmelte Estral
Weitere Kostenlose Bücher