Pfad der Schatten reiter4
Birch. »Wir sind nicht hier, um uns zu amüsieren. Wir bilden Männer dazu aus, zu kämpfen und zu töten.«
»Jawohl, Sir«, antwortete der Unteroffizier, und es klang, als sei er wegen der Ermahnung eingeschnappt. »Wie lauten Ihre Befehle?«
Birch betrachtete den Mond durch die Bäume hindurch. Er war eine dünne Sichel, wie der Fingernagel, den Lala in den Knoten eingefügt hatte. »Sobald es dämmert, können wir uns ein besseres Bild des Terrains machen. Dann bringen wir die Männer in Stellung. Bei Sonnenaufgang schlagen wir zu.«
»Dreißig sind keine große Herausforderung.«
»Es ist eine gute Übung«, sagte Birch. »Bald werden unsere Soldaten härterem Widerstand begegnen – größeren Städten,
gut ausgebildeten Milizen. Wir müssen diese Übungsangriffe nutzen, solange es geht.«
Großmutter zog sich aus ihrer Vision zurück. Es sah aus, als machte Birchs Arbeit gute Fortschritte. Vielleicht könnte sie morgen wieder ins Feuer spähen, um nachzusehen, wie seine Kampagne verlief. Sie schlummerte ein, die Brühe wärmte ihren Bauch, und die Hitze des Feuers wärmte ihre Haut. Sie war so zufrieden wie eine Katze, die in einem sonnigen Fenster liegt.
Sonderbarerweise hatte sie das Gefühl, dass ein Paar Augen sie aus dem Feuer beobachtete, ein Paar schwarzer Augen ohne jede Tiefe in einem Gesicht aus Flammen.
Sie schrak hoch, aber das Gesicht war immer noch da. Die anderen konnten es anscheinend nicht sehen.
»M-mein Herr?«, sagte Großmutter.
»DIE SCHLÄFER?«
»Sie sind erwacht.«
Die Augen schimmerten. »Ausgezeichnet.« Ein paar Augenblicke lang verlor das Gesicht seine Form, doch dann flackerte das Feuer auf, und das Gesicht bildete sich neu, in züngelnder Wut.
»SIE HAT MICH BESIEGT. SIE WIRD DIE SCHLÄFER STEHLEN! DU MUSST SIE AUFHALTEN.«
Dann erklärte er Großmutter, wonach sie Ausschau halten musste, während glühende Zweige von den angesengten Bäumen herunterfielen. Die Königin von Argenthyne hatte in einer ätherischen Form die ganzen Jahre überlebt und den Hain in einem bestimmten Zeitmaß bewahrt. Anscheinend hatte sie geplant, die Schläfer in jener fernen Vergangenheit zu erwecken und in Sicherheit zu bringen.
Großmutter hatte keine Möglichkeit herausfinden, wie man die Königin finden und sie über die Zeitläufte hinweg hätte bekämpfen können, und ihre Leute erst recht nicht, aber dennoch
musste sie Gottes Willen gehorchen. Sie besaß ihre Werkzeuge. Sie knüpfte einen Knoten, warf ihn ins Feuer und schickte einen Fühler der Macht in die Finsternis aus, um einen Schläfer zu suchen. Oder mehrere Schläfer. Sie brauchte einen oder mehrere, die willig und fähig waren, ihren Wünschen zu willfahren.
SCHLAFWANDLER
Karigan sah den Hain so, wie er ursprünglich hätte sein sollen, die Baumstämme als gewaltige, silbern schimmernde Säulen, noch nicht besudelt von Fäulnis und Krankheit. Der volle Mond schien durch die Wipfel, glitzerte auf den Spitzen der Kiefernnadeln und warf die Schatten verschlungener Äste auf den Waldboden. Bleiche Blumen blühten im Mondlicht und erfüllten die Luft mit einem angenehmen Duft. Grillen zirpten, und das flötende Lied einer Walddrossel stieg und fiel durch den Hain.
Karigan hatte einen solchen Frieden nicht mehr erlebt, seit … sie wusste gar nicht mehr, seit wann. Sie wandte sich zum Schloss um und verstand nun, weshalb die Legende berichtete, Laurelyns Schloss würde aus Mondstrahlen bestehen: Die Türme schimmerten, als wären sie eine Verlängerung des Mondlichts.
»Es ist wunderschön«, murmelte Karigan und fuhr zusammen, als ihr klar wurde, dass ihre Wahrnehmung nun nicht mehr verdoppelt war, nicht mehr mit der Dunkelheit unterlegt, die der Schwarzschleierwald erschuf. Sie sah nur diese leuchtende Welt.
Ja, ich habe dieses Zeitmaß bewahrt, um es makellos zu erhalten, sagte Laurelyn. Von hier aus werde ich die Schläfer erwecken. Sie werden nicht die finsteren Wesen sein, die du in deiner Gegenwart erlebt hast, sondern eletische Schläfer, wie sie sein sollen. Du wirst sie in Sicherheit bringen.
»Und wie soll ich das bewältigen?«
Laurelyn sah zum Mond hinauf, ihr Gesicht strahlte in seinem silbernen Licht . Ich besitze noch genug Kraft, um eine zeitweilige Brücke zu erschaffen. Einst gab es noch andere Brücken, die aus Argenthyne führten, aber sie wurden vor langer Zeit zerstört.
Allmählich fragte Karigan sich beunruhigt, wohin eine solche Brücke sie wohl führen würde.
Als hätte sie ihre
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