Pfad der Schatten reiter4
bewogen, in den langen Schlaf einzutreten? Wie hatten sie geheißen? Was hatten sie im Lauf ihres langen Lebens alles gesehen? Sie räusperte sich und begrüßte einige von ihnen, aber niemand antwortete. Sie nahmen sie überhaupt nicht wahr, ihre Augen waren in die Ferne gerichtet und mit Sternen gefüllt, die hier nicht existierten.
Ein Spalt öffnete sich in der Brücke. Ein Schläfer zögerte auf dem höchsten Punkt und seine Haltung war anders, er war nicht mehr so hoch aufgerichtet. War er aufgewacht, während er hinüberging? Wenn ja, dann war er bestimmt überrascht, sich auf einer durchsichtigen Brücke wiederzufinden, die einen seltsamen Abgrund in einer weißen Welt überspannte. Oder eher entsetzt. Sie entschied, dass es am besten war, ihm zu helfen.
Sie begann, über die Brücke zurückzugehen. Als die Schläfer ihr folgen wollten, hob sie ihre Hand und sagte: »Nein, bleibt hier.« Aus irgendeinem Grund gehorchten sie ihr und blieben auf der Insel.
Ihre Erleichterung dauerte nicht lange, denn als sie sich dem höchsten Punkt näherte, begriff sie, dass der Schläfer, der dort stand, keiner der ihren war, sondern einer von denen, die der Schwarzschleier korrumpiert hatte.
»Oh nein«, flüsterte sie.
Ein zweiter Schläfer erschien hinter ihm im Dunst.
Sie wich zurück, ihren Stab vor sich erhoben. Wie sollte sie ihre Schläfer über die zweite Brücke nach Eletien führen, wenn diese verderbte Brut ihnen folgte? Es würde ein Massaker geben.
Der erste dunkle Schläfer knurrte zähnefletschend und sprang sie an.
MONDFEUER
Karigan zögerte keine Sekunde. In ihrer Ausbildung war sie darauf trainiert worden, erst zu handeln und dann erst nachzudenken, bis dies zu einem Instinkt geworden war. Bevor der finstere Schläfer sie erreicht hatte, hieb sie ihm den Stahlgriff ihres Stabes auf den Schädel. Das bremste ihn etwas, hielt ihn aber nicht auf, und sie folgte dem Hieb mit einem Schlag gegen seine Knie. Er kämpfte um sein Gleichgewicht und seine Arme ruderten durch die Luft. Ein dritter Schlag schleuderte ihn von der Brücke.
Karigan biss die Zähne zusammen, als sie seinen Schrei hörte, der hinter ihm verhallte. Durch die Brücke hindurch sah sie ihn abstürzen und immer kleiner und kleiner werden, bis er kaum noch ein Stäubchen war.
Der zweite hatte vielleicht aus dem Fehler des ersten gelernt, denn er griff sie nicht an. Karigan packte ihren Stab fester. Sie leckte sich die Lippen. Sie wartete. Der Finstere starrte sie mit einem bösen Lächeln an, die Augen schwarz wie Pech.
Karigan spürte, wie die Zeit verrann, während sie dem dunklen Eleter die Stirn bot. Laurelyn hatte ihr gesagt, dass sie die Brücke nur eine Zeit lang aufrechterhalten konnte.
Innerhalb eines Wimpernschlages duckte sich der Eleter, um ihre Beine zu packen. Karigans Schlag streifte lediglich seine Hüfte, bevor er sie umwarf. Der Stab flog aus ihrer Hand, rollte die Brücke hinunter und blieb am Rand liegen. Sie schlug so hart auf die Brücke auf, dass ihr der Atem wegblieb. Der
dunkle Eleter hielt ihre Beine umklammert, sie trat um sich und strampelte, aber sein Griff war hart wie Stahl, und seine Klauen wühlten sich in ihr verletztes Bein, rissen die alten Wunden wieder auf und gruben neue.
Verzweifelt sah sie sich nach ihrem Stab um, aber er lag außerhalb ihrer Reichweite. Die Schläfer standen wie ein stummes Publikum auf der Insel und sahen dem Kampf zu. Sie zerrte am Griff ihres langen Messers, zog es aus der Scheide und hackte es in das Gesicht des Wesens. Es packte ihr Handgelenk und drückte es zusammen. Noch bevor sie den Schmerz spürte, hörte sie das Knacken der brechenden Knochen. Sie schrie. Ihr Messer fiel klappernd auf die Brücke, rollte über den Rand und fiel wirbelnd, mit der Spitze nach oben, in den Abgrund.
Karigan hatte trainiert, beidhändig eine Klinge zu führen, aber die Scheide ihres Säbels war unter ihren Beinen eingeklemmt, und ihre Position machte es ihr unmöglich, ihn zu ziehen. Nun blieb ihr nur noch eine einzige Waffe übrig. Es war schwierig, sie zu erreichen. Während der Finstere mit ihr rang, drehte sie ihre Hüften, schob ihre unverletzte Hand in die Hosentasche und zog den Mondstein ihrer Mutter heraus. Blendendes Licht erstrahlte, und sie zwinkerte. Der finstere Eleter wandte den Blick ab, und sein Griff lockerte sich. Sie trat nach ihm, so fest sie irgend konnte.
Der Finstere fiel zurück, und das Licht des Mondsteins wurde immer greller und aggressiver, sodass er
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