Pfad der Schatten reiter4
weiß, was letztlich aus mir geworden wäre, wenn Zacharias sich nicht erholt hätte.«
Estora lächelte. »Ich weiß, was es heißt, eine Schachfigur auf einem Spielbrett der Intrigen zu sein, Hauptmann. Man muss mit äußerster Vorsicht handeln. Ich hätte nicht zugelassen, dass Ihnen ein Leid geschieht.«
Laren neigte den Kopf. »Das hatte ich gehofft, aber ich war nicht sicher.«
»Sie haben mein volles Vertrauen, Hauptmann.«
»Danke. Und Ihr habt das meine.«
Estora seufzte. »Ich fürchte allerdings, dass Ihre Reiter nicht allzu viel von mir halten.«
»Falls das der Fall sein sollte«, antwortete Laren, »wird es sich bald ändern.«
Estora nickte zustimmend. »Es gibt einen ganz bestimmten Reiter, den ich unbeabsichtigt einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt habe.«
Nun erfuhr Laren von dem treuen Forstmeister aus Coutre, der auf Lord Spanes Betreiben der Gruppe angehörte, die Zacharias in den Schwarzschleierwald geschickt hatte.
»Ich habe ihm meinen Segen gegeben«, sagte Estora, »weil ich nicht wusste, worin seine eigentliche Aufgabe bestand.«
Laren erinnerte sich vage an den Mann. Er war nicht außergewöhnlich und ziemlich bescheiden gewesen. »Welcher Reiter war sein Ziel?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
»Karigan. Richmont wollte um jeden Preis verhindern, dass der Ehevertrag gefährdet wird. Und Ard sollte dafür sorgen, dass Karigan nicht zurückkommt, womit eine der diesbezüglichen Gefahren eliminiert wäre.«
»Ihr wisst also Bescheid über …«
»Über Zacharias’ Gefühle für Karigan? Ja. Es erklärt vieles.«
Laren nickte und wusste nicht genau, was sie sagen sollte. »Ich habe versucht, die beiden voneinander getrennt zu halten.«
»Ich glaube nicht, dass es viel genützt hat.« Estora sagte das ohne jede Ironie, sie nahm es einfach als Tatsache hin. Politische Ehen waren häufig von dieser Art – eine gesetzliche Verbindung, deren Zweck darin bestand, Erben zu zeugen und Bündnisse zu festigen, und die nichts mit Liebe zu tun hatten. Estora wusste das nur allzu gut. »Einen Moment lang wünschte ich mir, dass … dass Karigan nicht zurückkommen würde. Nur einen winzigen Moment lang«, fügte sie hastig hinzu, den Blick gesenkt.
»Ihr liebt ihn«, stellte Laren fest.
Estora nickte. »Aber Karigan ist meine Freundin, und ich habe zugelassen, dass ein Mörder ihr in den Schwarzschleierwald folgte.«
»Ihr habt es ja nicht gewusst«, sagte Laren leise. »Außerdem ist sie sehr einfallsreich, auch wenn Ihr sie im Augenblick nicht beschützen könnt. Und die anderen beiden Reiter in der Gruppe werden auf sie aufpassen.«
»Ich bete, dass es so sein möge«, sagte Estora, und Laren glaubte ihr.
Laren zögerte, doch dann erinnerte sie sich an etwas, das Ben vorher erwähnt hatte, und fragte: »Herrin, habt Ihr Zacharias etwas vorgelesen, als er bewusstlos war?«
»Ja. Die Sagen der Seekönige . Auf diese Weise konnte ich zumindest irgendwie mit ihm sprechen und ihn trösten und mich zugleich von meinen anderen Problemen ablenken.«
Laren freute sich, dass Estora sich auf so intime Weise um Zacharias gekümmert hatte. »Darf ich Euch einen Rat geben?«
Estora sah neugierig aus. »Natürlich.«
»Geht zu ihm. Geht zu Zacharias, verbringt Zeit mit ihm. Ihr seid seine Gemahlin. Vielleicht behauptet er, er hätte keine Zeit, aber er hat nie Zeit, und daran wird sich nie etwas ändern. Ihr müsst ein unverzichtbarer Teil seines Privatlebens werden. Ich finde, es ist eine großartige Idee, ihm vorzulesen.«
»Aber er ist müde …«
»Genau das ist die perfekte Gelegenheit, ihm vorzulesen: wenn er zu erschöpft ist, um irgendetwas anderes zu tun als zu schlafen oder Eurer Stimme zuzuhören.«
Estora nickte. Sie nahm den Rat an. »Ja, das werde ich tun. Ich gehe gleich zu ihm.«
Laren lächelte sehr erfreut. »Besonders liebt er die Dichtungen von Tervalt. Sie handeln von großen Heldentaten: von Kämpfen gegen Drachen, tollkühnen Jagden im Hochland der
Hillander, der Verehrung schöner Jungfrauen und der Seefahrt.«
»Wunderbar. Ich werde mir Tervalts Dichtungen aus der Bibliothek kommen lassen.« Nun erwiderte Estora Larens Lächeln. »Obwohl ich persönlich Annaliese von Grauwalds Naturgedichte vorziehe.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Ich merke schon, Hauptmann, dass Sie bereits meine wichtigste Ratgeberin geworden sind.«
Die Königin hatte Laren entlassen. Sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Verbindung zwischen
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