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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Ort, an den Menschen gehen sollten, Junge.«
    » Weshalb?«
    Kit schob sein Schwert wieder in die Scheide. » Wir gehen jetzt. Wir haben schon zu lange herumgetrödelt.«
    » Weshalb ist das Seelenranken…«
    » Still jetzt«, schnappte er, und ich folgte ihm.
    Er sagte an diesem Abend nichts mehr zu mir, und auch nicht während des folgenden Tagesritts zur Hauptstadt. Nicht ein einziges Wort. Ich hatte meinen Quell des Wissens zum Versiegen gebracht.
    Obwohl ich wusste, dass Gloria, die Hauptstadt des Königinnenreichs, im Landesinneren lag, bedeutete das nicht, dass ich mir die Stadt selbst je hätte vorstellen können. Hartah hatte uns stets in der Nähe der Dörfer gehalten, der kleinen und abgeschiedenen, wo die Aussichten, auf Soldaten zu treffen, am geringsten waren. Und doch sah die Hauptstadt für mich, als Kit und ich ihr langsam näher kamen, anfangs beinahe wie ein Dorf aus – ein großes Dorf mit strohgedeckten Hütten, die alle zwischen Feldern lagen, auf denen inzwischen geschäftig die Getreideernte eingebracht wurde. Ich sah überhaupt keine Handwerker. Wie Kit gesagt hatte, war die Stadt in der Ferne von Bergen umgeben, im Süden und im Westen. Die im Westen zeichneten sich hoch vor dem blauen Himmel ab, die im Süden waren in zartem Nebel verborgen. Im Norden stieg das Land langsam zu sanften Hügeln an.
    Tatsächlich bestand das Königinnenreich aus einer Reihe von Ringen, die ineinander eingepasst waren. Der größte war der ferne, dreiseitige Bogen aus Bergen und Hügeln. Dann kam ein Ring aus Ebenen, Feldern, Weiden und – obwohl ich sie jetzt nicht sehen konnte – den kleineren Dörfern, durch die Hartah gezogen war. Noch weiter innen spannte sich dieses ausgedehnte Netz aus verbundenen Dörfern, die merkwürdig frei von Handwerksläden und Trinkhallen waren, rund um eine Insel im breiten Thymar. Und auf dieser Insel befand sich die Hauptstadt Gloria.
    Die ganze Insel war von einer hohen, dicken Steinmauer umgeben, die bis ans Ufer reichte. Auf den Wällen patrouillierten Soldaten. Riesige eiserne Falltore, im Augenblick hochgezogen, waren in die Mauer eingelassen. Breite, hohe Steinbrücken verbanden die Flussufer mit der Insel. An anderen Toren gab es keine Brücken, sondern stattdessen Anlegestellen, zu denen Barken über die ruhigen Gewässer des Flusses fuhren. An einigen Stellen schien die die Insel umgebende Mauer über den Fluss hinaus zuragen, was ich nicht ganz verstehen konnte.
    Das Einzige, was über die Stadtmauer hinweg sichtbar war, war eine einzelner, schlanker Turm, der etliche Stockwerke aufragte und mit schmalen Fensterschlitzen übersät war. In einem offenen Bereich weit oben befanden sich riesige Glocken. Darüber lag ein flaches Dach, das von einer Brüstung umgeben war.
    » Glotz nicht wie ein Narr«, sagte Kit. » Wir sind noch nicht mal drinnen.«
    Wir wurden auf der Landseite einer Brücke angehalten, wo ein blau gekleideter Wächter einen Zettel las, den Kit ihm überreichte. Der Wächter starrte auf Kits grünes Hemd, dann in sein Gesicht, und Kit starrte zurück. Als das Pferd über die Steinbrücke klapperte, warf ich einen Blick über die Schulter. Der blaue Wächter gestikulierte uns hinterher, auf so anzügliche Art, dass es ihm in jedem Bauerndorf einen Kampf auf Leben und Tod eingebracht hätte.
    Die Blauen und die Grünen. Sogar auf dem Land wussten wir davon, es war der Gegenstand des aufgeregten Geschwätzes auf jedem Fest und in jeder Trinkhalle. Ich sagte: » Kit, was …« Aber meine Worte wurden vom Geläut der Glocken im Turm übertönt. Ihre Melodie war schön – aber sie war laut. Als der Lärm aufhörte, waren wir unter dem Eisentor durch, und ich vergaß meine Frage vor lauter Erstaunen über Gloria.
    Niemals hatte ich mir so einen Ort vorgestellt.
    Ein weiterer Ring, aber ganz anders als die Dörfer außerhalb. Steinmauern liefen wirr durch die Stadt, zerteilten sie in kleine Räume, die voller Zelte standen. In den Zelten befanden sich Leute, Läden, Vieh, Trinkhallen – alles, was ich je in der Welt gesehen hatte, alles in Bereiche gedrängt, die viel zu klein waren, alles brüllend und stinkend. Kinder kreischten, während sie zwischen den Beinen der Erwachsenen umherliefen. Hühner gackerten. Singvögel in bemalten Käfigen trillerten, Erwachsene riefen sich gegenseitig etwas zu, ein Fiedler spielte auf, vor den Füßen eine Holzkiste, in der er Münzen sammelte. Alles schien zum Verkauf zu stehen: Essen und Kupfergeschirr und lebende

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