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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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der königlichen Familie fernhältst, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich eure Pfade kreuzen. Dieser Tage gehen bei Hofe viele seltsame Dinge vor. Etliche würden dich dort für eine Hexe halten. Sag nichts zu irgendjemandem, auch nicht zu dem Kurier, der dich mitnehmen wird. Sein Name ist Kit Beale.«
    » Wie werde ich ihn finden?«
    » Schlaf im Stall. Er wird dich finden.«
    » Ich danke Euch, Herrin, für alles, was Ihr für …«
    » Ich will deinen Dank nicht. Alles, was ich will, ist, dich nie wiederzusehen. Geh jetzt.«
    » Ja, Herrin. Wo … wo werdet Ihr hingehen?«
    Sie wandte sich ab, den Blick auf das Feuer gerichtet. » Ich weiß es noch nicht. Und es hat dich auf jeden Fall nicht zu kümmern.«
    » Nein, Herrin. Es ist nur, dass … dass ich Euch alles Gute wünsche.«
    » Geh!«
    Diesmal gab es an ihrem Ton nichts falsch zu verstehen. Ich ging, hielt das Papier fest, das ich nicht lesen konnte, das Papier, das mich davon abhalten würde, ziellos auf gefährlichen Straßen zu betteln, das Papier, das mir das Leben retten würde.
    So dachte ich damals zumindest.

8
    Ich schlief im Stall, wie man es mir aufgetragen hatte, zusammen mit einem Dutzend Dienern der Conyers. Wir lagen auf dem Heuboden, auf und neben dicken Strohhaufen, die frisch eingebracht worden waren. Unterhalb stampften die Pferde und fügten ihren Geruch zu dem des Heus, der Wolle, des Leders und des männlichen Schweißes hinzu. Ich hätte gerne einen Platz an der schrägen Wand des Heubodens gehabt, aber die waren belegt. Daher lag ich mitten unter den Männern und hörte ihrem düsteren Geplauder zu.
    » Ich werd jetzt wahrscheinlich rausfliegen. Der Herr hat mich Käpt ’ n Conyers versprochen, sobald er wieder an Land ist.«
    » Wohin gehst du?«
    » Wohin sie wohl geht?«
    » Mein Vetter arbeitet in einer Herberge in …«
    » Mein Vater, der dich vielleicht …«
    » Die Frances Ormund  …«
    » Das Wrack …«
    » Der Mann meiner Schwester hat einen Bauernhof bei Garraghan …«
    » Die Frances Ormund …«
    Ich fuhr auf und versuchte, im Dunkeln den Mann zu erkennen, der › Garraghan‹ erwähnt hatte. Cat Starlings Vater hatte einen Bauernhof in Garraghan. Aber in der Düsternis des Heubodens konnte ich nicht sagen, welcher Mann gesprochen hatte, und selbst wenn ich es gewusst hätte, was hätte es mir gebracht? Cat Starling konnte mir nicht helfen, selbst wenn mich der Mann zu ihr führte, was er gewiss nicht tun würde. Und der Mann, der › Käpt ’ n Conyers versprochen‹ gewesen war, war nun seinen zukünftigen Herrn los, genauso wie seinen erwarteten Lebensunterhalt, nur wegen Hartah und seiner Strandräuber.
    Ich legte mich wieder hin, von Gedanken an Hartah, Tante Jo und den Seemann Kauz bedrängt, der nicht wusste, dass er tot war, und ich dachte an das, was ich wusste – dass ich gemordet hatte. Aber die Erschöpfung erfasste meinen Körper, und schließlich schlief ich ein – nur um aufzuwachen, als der Mann neben mir mich an der Schulter rüttelte und die anderen in der Dunkelheit fluchten.
    » Was? Was?« Betäubt hob ich die Hand, um mein Gesicht vor Hartahs Schlag zu schützen.
    » Du hast im Schlaf geschrien«, sagte der Mann angeekelt. » Weg von mir, Junge, ich brauche meine Ruhe! Geh!«
    Auch andere brüllten mich an. Geh, geh, geh – meine Tante, die Witwe Conyers und nun diese Männer. Es gab niemanden auf dieser Welt – und auch nicht auf der anderen –, der mich in seiner Nähe haben wollte. Ich tastete nach der Leiter, bis ich sie zu fassen bekam, und ließ mich über die Kante des Heubodens hinab. Die Männer legten sich murrend wieder ins Heu zurück. Oben auf der Leiter flüsterte ich dem Mann zu, der mich geweckt hatte: » Was habe ich geschrien?«
    »› Kauz‹. Du hast Angst vor einem Kauz gehabt. Jetzt geh und lass mich schlafen.«
    Kauz. Ich hatte den Namen des toten Seemanns gerufen, vielleicht in irgendeinem Traum. Ich hatte nachts noch nie geschrien; Hartah hätte mich verprügelt, wenn ich ihn gestört hätte. Verspürte mein schlafender Verstand nun größere Freiheit, da Hartah tot war? Oder suchten noch mehr Gräuel meine Träume heim, seit ich das Wrack gesehen hatte? Was würde ich ein andermal wohl noch schreien – und wer mochte mich dann hören?
    Ich begab mich zum Fuß der Leiter. Während der Nacht hatten sich die Wolken verzogen, und ein beinahe voller Mond schien durch die offene Stalltür herein. Die Luft war kalt und schneidend, die Stille wurde nur vom

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