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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Wissen machte mich vorsichtig. Ich löschte meine Laterne. In der Dunkelheit stolperte ich auf ein Blumenbeet zu, nahm Mutter Chiltons kleines Stoffsäckchen aus meiner Tasche und vergrub es. Es war nicht schwer, die grünen Ziersteine umzuschichten, um die frisch aufgeworfene Erde zu verstecken.
    Nachdem ich eine ganze Weile dort gestanden und nachgedacht hatte, während meine Zehen steif wurden und die Haare in meiner Nase gefroren, ging ich weiter. Ich ging mit einem Scherz an den Wachen vorbei und begab mich durch die verlassene Audienzkammer zu meinem Alkoven. Ich zog den Vorhang zurück.
    Und dort, in der Dunkelheit, stand die Königin und wartete auf mich.
    » Wo bist du gewesen, Roger?«, fragte sie.

15
    »Wo bist du gewesen, Roger?«, wiederholte die Königin ihre Frage, als ich nicht antwortete – nicht antworten konnte.
    Mit der Küchenlaterne, die von meinem plötzlich vor Entsetzen erschlafften Arm baumelte, konnte ich ihr Gesicht kaum erkennen, nur das Glühen des Lichts auf dem grünen Satin ihres Kleides. » Ich … ich bin in die Küche gegangen … ich war hungrig!«
    » Das hast du den Wachen erzählt. Und was noch? Nein, warte, nicht hier. Folge mir.«
    Ich stolperte ihr hinterher und fragte mich, ob ich zu irgendeinem Kerker geführt werden würde, zu irgendwelchen Folterinstrumenten, mit denen … Aber die Königin führte mich durch die äußere Kammer in ihre Privatgemächer; die Tür zu ihrem Schlafgemach war wie immer verschlossen. In dem Raum saß Lord Robert neben einem hellen Feuer, ein Weinglas stand vor ihm auf dem reich mit Schnitzereien verzierten Tisch.
    Die Königin schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Ihr Gesicht war freundlich, ihr Blick warm. Sie lächelte mich an. » Nun, Roger, sag mir, wo du gewesen bist und mit wem du gesprochen hast. Und vergiss keine Einzelheiten.«
    Wie viel wusste sie? Ich musste Maggie decken, und auch Cecilia … Weshalb sollte ich Cecilia decken? Weil ich sie noch liebte. Und ich konnte sie genauso wenig der Königin ausliefern, wie ich einen Schmetterling einer Nadel überlassen konnte, die ihn auf einem Brett aufspießen würde, während er sich noch wand.
    » Ich hatte Hunger«, sagte ich. » Ich bin zur Küche gegangen und habe mir etwas zu essen geholt. Ich habe dort eine Freundin, eine Küchenmagd, und … und wir haben miteinander geschlafen. Im Hof, in dem die Lastkähne ihr Gemüse in den Palast bringen.«
    Die Königin stand so, dass sie sowohl mich als auch Lord Robert sehen konnte. Im Augenwinkel bemerkte ich, dass er ihr leicht zunickte. Also wusste er bereits, wo ich gewesen war, und mit wem. Ihr Netz aus Spionen – oder seines – musste sich noch weiter erstrecken, als ich gedacht hatte. Wenn einer jener Spione Maggie und mich belauscht hatte …
    Die Königin musterte mich, nach wie vor mit einem freundlichen Lächeln auf ihrem schönen, rücksichtslosen Gesicht. Schließlich sagte sie: » Ich glaube dir. Du bist größer und stärker geworden, seit du in meine Dienste getreten bist, Roger, und ich kann glauben, dass du mit einer Magd ins Bett gehst. Trotzdem wird dich, nachdem ich mich zurückgezogen habe, Lord Robert durchsuchen, um sicherzugehen, dass du keine Nachrichten bei dir trägst, für niemanden. Und du wirst meine Räume nicht wieder ohne Erlaubnis verlassen, verstehst du?«
    » Ja, Euer Gnaden.« Erleichterung durchströmte mich, so stark, dass ich einen beschämenden Augenblick lang glaubte, ich müsse weinen.
    Auf einmal kam die Königin zu mir und nahm meine beiden Hände in ihre. Sie starrte mir tief in die Augen, und ihre Stimme war leise und sanft. » In den kommenden Tagen werde ich dich brauchen, Roger. Niemand sonst kann für mich tun, was du tun kannst, und deine Gabe macht dich zu einem unbezahlbaren Schatz. Das Königinnenreich ist in großer Gefahr. Ich bin entschlossen, es zu beschützen und das Reich eines Tages unversehrt an meine Tochter zu übergeben. Ich will tun, was immer ich tun muss, um mein Reich zu schützen. Glaubst du das?«
    Und ich glaubte es. Ihr dunkler Blick versenkte sich so ernst und forschend in meinen … Die Königin war schön, aber ich wusste, dass ich nicht auf ihre Schönheit reagierte. Diesen Teil meines Verstandes füllte Cecilia aus. Die Königin war eine begabte Schauspielerin, aber ich glaubte nicht, dass sie mir jetzt etwas vorspielte. Sie war aufrichtig um die Zukunft des Königinnenreiches besorgt, über das sie nicht herrschen durfte, und sie würde tun, was immer

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