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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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nötig war, um es zu schützen. Sie würde mich lebendig häuten, wenn es vonnöten wäre. Sie würde sogar das Gleiche mit Lord Robert tun, wenn es sein musste … War ihm dies bewusst?
    In einer einzigen Nacht hatte mein Verstand eine zu große Strecke zurückgelegt. Ich war verwirrt, verängstigt, müde. Die Welt war nicht, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
    » Ja, Euer Gnaden«, sagte ich. » Ich glaube, dass Ihr Euch um das Königinnenreich sorgt.«
    Sie ließ meine Hände los. » Gut. Robin, gib ihm ein wenig Wein, durchsuche ihn, und schick ihn ins Bett. Er ist ein müder Junge.«
    Lord Robert erhob sich. Die Königin ging zu ihrem Schlafgemach, aber im Eingang wandte sie sich um und blickte über die Schulter zu mir. » Mit deiner Küchenmagd – war es dein erstes Mal?«
    » Ja«, sagte ich, und sie lächelte mich verschmitzt an und schloss die Tür.
    Lord Roberts Durchsuchung war rasch, nicht sanft und sehr gründlich. Irgendwann währenddessen wurde mir klar, dass er – ein Lord des Königinnenreichs, der Berater und Liebhaber der Königin – sich vor mir fürchtete, weil ich das besaß, was die Königin » meine Gabe« genannt hatte. Sie hatte keine Angst, er aber schon.
    Nein, die Welt war nicht, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
    Lord Robert fand nichts in meinen Kleidern oder an mir selbst. » Geh ins Bett«, sagte er grob, » und mach das nie wieder.«
    Am nächsten Nachmittag kam Cecilia mit den anderen Hofdamen der Königin in die äußere Kammer. Königin Caroline hatte den Vormittag in ihren Privatgemächern mit Lord Robert und einer Reihe von Höflingen verbracht, die alle wirkten, als wären sie schnell geritten, um den Palast zu erreichen. Teilweise sah ihre Kleidung seltsam aus, und keiner wusste, wo sie hergekommen waren. Sie hatte schon früh die Botschaft verbreiten lassen, dass ihre Hofdamen ihr nicht die Aufwartung machen sollten, und deshalb hatten sie sich zurückgehalten. Ich ebenso, und ich verbrachte den ganzen Vormittag in der großen Audienzkammer oder der verlassenen äußeren Kammer und starrte aus dem offenen Fenster in den Hof. Irgendwann während der Nacht hatte der Winter endlich seinen Griff gelöst, und es war Frühling geworden. Aber die warme Luft und die süßen Gerüche reizten mich nicht.
    Nicht einmal der Hunger reizte mich. Ich wagte es nicht, in die Küche zu gehen und mir etwas zu essen zu holen – nicht nach der Warnung der Königin –, und niemand brachte mir etwas, deshalb verkrampfte sich mein Magen und knurrte. Der Königin wurden Frühstück und Mittagessen gebracht. Die Gerüche von gebratenem Fleisch und dampfender Suppe machten mir den Mund wässrig, aber ich konnte nicht darauf hoffen, davon etwas abzubekommen.
    Während dieser langen Stunden am Fenster schwor ich mir etwas. Ich war zu lange an den größeren Vorkommnissen bei Hofe desinteressiert gewesen; das würde ich ändern. Wenn ich mein Schicksal schon nicht wählen konnte, würde ich ihm zumindest mit weniger unwissenden Augen entgegentreten. Ich würde beobachten, Fragen stellen, lernen.
    Schließlich, als der Nachmittag beinahe vorüber war und die Schatten im Hof lang wurden, platzten die Hofdamen und Höflinge in großer Schar in die äußere Kammer, plappernd und müde und glücklich. » Wir sind bis in die Berge geritten, Narr!«, rief mir Cecilia fröhlich zu. » Ein herrlicher Ritt!«
    » Ja, meine Lady«, sagte ich. Sie lächelte, ihre Haut war von der Sonne erwärmt, ihr Haar noch feucht von einem Bad. Noch nie hatte sie für mich schöner ausgesehen. Wie ein Fieber leuchtete die Hysterie in ihren Augen. Mein Magen knurrte.
    » Nun brauchen wir Musik! Musik und Tanz!«
    Die anderen nahmen den Ruf auf: Musik! Tanz! Musik! Erst vor Kurzem hatte die Königin die Erlaubnis erteilt, dass man auch tanzen durfte, wenn sie nicht zugegen war. Die Hofdamen und Höflinge waren jung, lebendig und kümmerten sich nicht darum, was die Königin den ganzen Tag tat, obwohl sie ihr von einer Sekunde auf die nächste zu Diensten sein würden, wenn sie sie brauchte. Waren sie aber wirklich so unwissend, so unbekümmert und unachtsam, wie sie schienen? Alle von ihnen – jeder bei Hofe – war ein sehr begabter Schauspieler. Nur ich nicht.
    Man schickte nach Musikanten. Inmitten des Lärms sagte Cecilia zu mir: » Roger?«
    Ich antwortete: » Es ist unter einem Baum in dem Hof mit der Fischfontäne vergraben, neben dem Baum, der dem Springbrunnen zugewandt ist. Nutzt ein Versteckspiel oder ein

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