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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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zu Boden.
    » … also haben wir wohl Verbündete, die mit uns kämpfen?«
    » Du wachst langsam auf, Roger. Lucy! Catherine! Zu mir!«
    Die Kammerdamen sprangen auf und folgten der Königin in ihre Privatgemächer. Sobald die Tür sich geschlossen hatte, drangen die übrigen Frauen auf mich ein. Cecilia rief: » Roger! Was geht vor?«
    » Es wird eine Schlacht ausgefochten«, sagte ich.
    » Wird der Palast angegriffen?« Cecilias grüne Augen waren so groß, dass in ihrem Gesicht nichts anderes mehr Platz zu haben schien. Sie sah ausgezehrt, sogar hager aus, und die kleine Hand, die meine umklammerte, war eiskalt.
    » Noch nicht, meine Lady.«
    » Cecilia«, sagte Lady Margaret, » komm sofort her. » Dieser Narr kann uns gar nichts sagen, und wir haben unsere Befehle.«
    Ich fragte: » Was …«
    » Wir sollen unsere besten Kleider anziehen und uns in den Thronsaal begeben«, erklärte mir Cecilia, nachdem sich Lady Margaret ernst zu den anderen jungen Hofdamen umgedreht hatte. » Ein Page kam angerannt, um uns das mitzuteilen, aber er hat nicht gesagt, weshalb. Wird die Königin sich unterwerfen? Werden wir alle von den Blauen gefangen genommen werden?«
    » Nein, meine Lady.« Oder würden wir das?
    » Cecilia! Komm!«
    Sie hasteten fort. Die äußere Kammer war leer, abgesehen von zwei grünen Wachen, die genauso unsicher wie ich wirkten. Ich wartete, wie ich es schon so oft getan hatte. Manchmal schien mein ganzes Leben im Palast aus Warten oder Fürchten zu bestehen. Oder aus beidem gemeinsam.
    Wenn die Königin tatsächlich die Ankunft von Verbündeten erwartete, konnte es sich nur um die Armee ihrer Schwägerin handeln, Königin Isabelle. Isabelles Mutter war kurz nach der Heirat ihrer Tochter verstorben, und Isabelle war gekrönt worden. Wie viele Soldaten würde sie schicken? Wenn die Blauen sie schlugen und den Palast übernahmen, was würde dann mit mir geschehen. Würden sie es für nötig halten, einen Narren zu hängen? Und was würden sie mit der Königin machen? Sie konnten sie ermorden und Prinzessin Stephanie auf den Thron setzen, mit einem treuen blauen Ratgeber, der für das Kind regierte. Wenn noch irgendwelche treuen blauen Ratgeber am Leben waren. Und was würde mit Lady Cecilia passieren? Gewiss würden die Soldaten nicht den Vorwurf des Verrats gegen ein Mädchen erheben, das so töricht, so unschuldig und so liebreizend wie meine Lady war … Es wäre, als würde man ein Kätzchen töten.
    Die Leute töteten ununterbrochen unerwünschte Kätzchen.
    Die Tür zu den Privatgemächern öffnete sich. Die Königin trug das mit grünen Edelsteinen besetzte Kleid, das sie vor sechs Nächten getragen hatte, um die Treueeide entgegenzunehmen. Aber diesmal trug sie die Krone von Gloria auf dem Haupt, nachdem Ospreys eiserne Truhe aufgebrochen worden war. Die Krone war aus schwerem, gehämmertem Gold und mit Edelsteinen in jedem Farbton besetzt – einem Regenbogen der Farben einer jeden Königin, die über das Königinnenreich geherrscht hatte. Smaragde, Saphire, Rubine, Amethysten, Diamanten, Onyxe, Berylle, Opale, Topase. Edelsteine, deren Namen ich nicht kannte. Wie konnte der schlanke Hals der Königin so etwas Schweres überhaupt halten? Aber die Krone hielt, und die Königin fegte an mir vorüber; ihre Hofdamen eilten ihr nach, um die lange Samtschleppe zu tragen. Sie wirkte, als bestünde weder die Möglichkeit der Niederlage noch die der Kapitulation, niemals.
    » Komm, Roger«, rief sie mir über die Schulter zu. » Es dauert jetzt nicht mehr lange.«
    Wir warteten im Thronsaal, und man konnte an den Gesichtern deutlich erkennen, wer wusste, worauf wir warteten, und wer nur spekulierte.
    Die Ratgeber wussten Bescheid. Sie standen in ihren langen grünen Roben rechts vom Thron, eine Schar alter Männer mit ausgesucht ausdruckslosen Gesichtern und besorgten Blicken. Die Höflinge und Hofdamen wussten es nicht. Sie standen links beieinander, und die jungen Männer und Frauen wirkten in ihrer ganzen Pracht wie eine Schar von aufgescheuchten Pfauen. Am hübschesten unter ihnen war Cecilia, in einem grünen Seidenkleid, das einen Großteil ihrer kleinen, festen Brüste entblößte. Sie zitterte, jedoch nicht vor Kälte. Der weite Thronsaal war kühl wie eh und je, aber unter dem Podium mussten Kohlebecken entzündet worden sein. Hitze strahlte vom Thron aus, als trüge die Königin selbst ein Feuer in sich. Sie saß mit geradem Rücken da, den Kopf erhoben, und wartete.
    Und wartete.
    Und

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