Pfad der Seelen
können.«
Nach der Übersetzung lachte der Fremde mit lautem Brüllen, das in diesem feierlichen Saal so überraschend war wie ein tobender Bär, und anschließend hielt er eine kurze Rede.
Der Übersetzer sagte: » Der Häuptling erklärt, dass seine Männer natürlich jenseits der Insel lagern werden, und er mit ihnen.«
Ich dachte an die Dörfer, die die Insel umgaben, ein jedes mit ordentlichen Häusern, einem kleinen Anger, Schafen und Hühnern und hübschen Mädchen. Diese wilden Krieger – so viele von ihnen, und vielleicht sogar noch mehr davon draußen – waren die rauesten Männer, die ich je gesehen hatte. Sie sahen eigentlich beinahe nicht wie Menschen aus, mit ihren zottigen Fellüberwürfen, riesigen Knüppeln, Federumhängen und Helmen. Und was waren das für Metallstöcke, die ein jeder auf der Schulter trug?
Die Königin sprach wieder, ihre Stimme nun leiser, sodass sogar ich, der ihr näher war als jeder andere, bis auf Lord Robert, mich anstrengen musste, sie zu hören: » Eammons … gibt es eine höfliche Art und Weise, auf die man ihm mitteilen kann, dass die Häuser der Dörfer – und die Frauen – seinen Männern nicht zur Verfügung stehen?«
» Nein«, sagte Eammons düster. » Die gibt es nicht. Es wäre eine schwere Beleidigung.«
Lord Robert sagte zu dem Übersetzer: » Diese Wilden werden uns nichts nützen, wenn sie die Blauen zurückschlagen, aber die Untertanen der Königin gegen uns aufbringen!« In seiner Stimme lag eine seltsame Befriedigung, die die Königin verärgerte.
Sie erhob sich von ihrem Thron und stieg die Stufen hinab. Sogleich fielen alle von uns – aber keiner der Wilden – auf beide Knie. Sie stand in ihrem grünen Kleid neben dem Häuptling, die Schleppe auf den Stufen hinter ihr ausgebreitet, während der Übersetzer zischte: » Nehmt nicht seine Hand, Euer Gnaden! Um Himmels willen, berührt ihn bloß nicht!«
Sie berührte ihn nicht. Neben ihm sah sie winzig aus, obwohl sie keine kleine Frau war. In einer leisen, vertraulichen Stimme befahl sie: » Übersetze genau, was ich sage, Eammons. Genau, Wort für Wort: Lord Solek, ich will offen sprechen. Bitte vergebt mir mein Unwissen über Eure Gepflogenheiten. Eure Soldaten sind männlich und stark. Meine Dorfbewohner sind sanft. Kommt die Disziplin und Zurückhaltung Eurer Soldaten ihrer Stärke und Kriegskunst gleich?«
» Euer Gnaden …«
» Übersetze!«
Er übersetzte. Lord Soleks blaue Augen verdunkelten sich, und sein Gesicht verhärtete sich. Ich machte einen Schritt nach hinten, wich vor diesem Ausdruck zurück. Lord Roberts Hand bewegte sich zum Schwert, aber die Königin zuckte nicht. Stattdessen blickte sie ihn mit einem Ausdruck an, den ich noch nie auf ihrem Gesicht gesehen hatte – hilflosem, nacktem weiblichen Flehen. Und dann machte sie einen Knicks.
Unter den Ratgebern und Höflingen wurde ein Keuchen laut. Lord Robert streckte eine Hand aus, als wolle er sie wieder nach oben reißen, aus dieser Ehrerbietung einem Wilden gegenüber – sie, die Königin! Aber sie hatte sich bereits wieder aufgerichtet, ihr Knicks war vorüber, aber ihr flehentlicher Ausdruck blieb bestehen, die Augen fest auf Lord Solek gerichtet, bis er wieder den Kopf zurückwarf und jenes gewaltige, raue Lachen hören ließ. Er wandte sich zu seinen Hauptleuten um und hielt eine lange Rede. Als er fertig war, hob jeder der Hauptmänner einen Augenblick lang die linke Faust hoch und ließ sie dann wieder fallen.
» Er hat gesagt«, berichtete Eammons, » dass seine Männer sich von Euren Dörfern fernhalten werden.«
Lord Solek hatte viel mehr als das gesagt. Hatte er Strafen angedroht, wenn seine Wilden nicht gehorchten? Oder Belohnungen, falls doch? Und was hatte Königin Caroline versprochen, um Lord Soleks Armee überhaupt erst hierherzubringen?
Sie sagte: » Teilt Lord Solek mit, dass er ersucht wird, bei Sonnenuntergang in meine Gemächer zum Essen zu kommen. Mit jeglichen Hauptleuten, die er üblicherweise mitbringt. Wir haben viel zu besprechen.«
Und immer noch hielt sie mit ihren dunklen Augen den Blick seiner blauen fest, und keiner wandte den Blick ab.
18
Das Abendmahl musste vorbereitet werden, was eine außergewöhnliche Betriebsamkeit hervorrief. Es stellte sich heraus, dass die Königin schon vor dem Beginn der Belagerung vorausgeplant und bestimmte Speisen für dieses Fest hatte beschlagnahmen lassen. Aber der Frühling fing gerade erst an, und es gab kein frisches Gemüse oder Obst, nur
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