Pfad der Seelen
bevorzugt hatte, waren Vergangenheit. Cecilia, Lady Jane, Lady Sarah, die Lords Thomas, George und Christopher – sie alle führten Dorftänze auf, als wären sie Bauern. Sie tänzelten und krakeelten und ließen ihre juwelenbesetzten Schuhe und polierten Stiefel fliegen. Die Frauen schwenkten ihre Röcke unbekümmert, sodass Knöchel und sogar Knie enthüllt wurden, und die Männer schwangen die Mädchen so hoch herum, dass ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. Die Musikanten spielten die lebhaften Stücke aus den Dörfern, allerdings ohne die schlüpfrigen Texte. Auch eine Maskenaufführung sollte stattfinden, aber die Spieler kamen niemals dazu, weil Lord Solek nach dem zweiten schockierenden Tanz vom hohen Tisch auf den Boden sprang und etwas brüllte.
Eammons würgte hervor: » Er sagte, er wird … wird mit Euer Gnaden tanzen.«
Totenstille.
Niemand bat die Königin um einen Tanz; es war ihr Recht, ihre Wahl zu treffen. Nicht einmal Lord Robert durfte diese Regel übertreten. Aber das waren die alten Tänze gewesen, der alte Hofstaat. Und der wilde Häuptling stand auf dem polierten Steinboden, seine Hand zum Podium hingestreckt, seine leuchtend blauen Augen sowohl einladend als auch herausfordernd.
Königin Caroline drapierte die Schleppe über den Arm und stieg auf den Boden hinab. Zu den Musikanten sagte sie: » Spielt.«
Sie waren beinahe zu schockiert, um zu gehorchen; die Lippen des Flötenspielers waren vor Entsetzen ganz starr. Aber irgendwie begannen sie ein Lied und spielten es weiter. Die Königin und der Wilde tanzten.
Er war schnell, mit der Anmut eines Athleten, und die Bauerntänze waren natürlich deutlich einfacher als die endlosen verworrenen Figuren der höfischen Tänze. Lord Solek stellte sich nicht schlecht an. Sie floss um ihn wie Wasser, wirkte neben seiner großen Masse sogar in ihren Schuhen mit den hohen Absätzen klein, und als er sie am Ende des Tanzes hochhob, schien sie zur Decke zu schweben. Dann glitt sie an seinem Körper herab, bis ihre Beine wieder auf dem Boden standen, und abermals herrschte Stille. Niemand wagte es, sich zu bewegen oder zu sprechen.
» Tanzt alle«, sagte die Königin.
Panik kam auf, aber eine beherrschte Panik.
Weitere Höflinge und Hofdamen erhoben sich von den Tischen, stiegen vom Podium für das Maskenspiel herab. Die drei Häuptlinge der Wilden sprangen auf, und ein jeder schnappte sich eine Hofdame, die alle erschrockene Gesichter machten. Lady Cecilia versteckte sich in Lord Thomas ’ Armen, so weit von den Wilden entfernt, wie sie nur konnte. Und so tanzten sie.
Es dauerte eine Stunde. Die kleine Prinzessin wurde von ihrer Amme zu Bett gebracht. Die Verwalter holten mehr Wein, mehr Bier. Die Hauptleute der Wilden führten gemeinsam einen » Tanz« aus ihrem eigenen Land vor, indem sie brutal aufeinander zusprangen, mit gezogenen Messern, um einen dreifachen Schaukampf auszutragen, von dem ich annahm, dass er jeden Moment ernst werden könnte. Dies sollte ein Tanz sein? Aber als es vorüber war, lachten sie und fassten sich an den Händen und knieten vor Lord Solek, der jedem von ihnen mit seinem Messer einen leichten Schnitt in die rechte Wange zufügte. Blutstropfen sickerten in ihre Bärte. Wieder lachten alle drei, und die Königin lächelte. Und nicht einmal ich, der sie Tag für Tag beobachtet hatte, Monat für Monat, konnte sagen, ob dieses Lächeln Gefühl oder Berechnung war. Oder beides.
Dann war die Unterhaltung vorüber. Die Wilden verließen den Palast. Höflinge, Hofdamen und Ratgeber zogen sich zurück, und die Diener fingen an, die Überreste des Festes aufzuräumen. Grüne Wachen ließen mich in die äußere Kammer der Königin, wo ich immer noch auf dem Vorleger schlief. Ich kroch vorsichtig durch den dunklen Raum und hielt dabei meine Kerze hoch. Aber ein schmaler Lichtschein fiel auch aus den Privatgemächern dahinter herein. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, und dahinter schrie Lord Robert.
» … schlimm genug, dass Ihr ihm die Prinzessin für seinen barbarischen Sohn angeboten habt, aber dass Ihr auch noch …«
» Das geht dich nichts an.«
» … die Schiffe und ihre Kapitäne versprochen habt, und …«
» Ich tue das, was für das Königinnenreich am besten ist!«
» Ihr verschachert das Königinnenreich! Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr ihn beherrschen könnt, nachdem er die Blauen geschlagen hat? Uns wird nichts mehr bleiben als seine Armee aus Wilden, über die er herrscht! Diese verdammten
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