Pfad der Seelen
verbringen muss, werde ich wahnsinnig. Ich habe keinen anderen Ort, an den ich gehen kann, außer mit dir.«
Keinen anderen Ort. Das verstand ich gut! Erleichterung durchdrang mich, so warm wie das Bier. Maggie war meine Freundin, sie hatte keinen anderen Ort, an den sie gehen konnte, und es war sehr eitel gewesen, etwas anderes anzunehmen. Solch eitle Gedanken würde ich mir nicht noch einmal machen. Wer war ich denn, Hofnarr und Mörder und heimatloser Gesell, dass mich jemand lieben könnte?
Dennoch machte ich noch einen weiteren Versuch, Maggie davon abzubringen, mit mir zu kommen. » Du hast in der Küche gesagt, dass es zu gefährlich wäre, den Palast zu verlassen, und dass du nicht …«
» Ich habe gefährlich für dich gemeint, du Idiot!«
» Das ist meine Sache, nicht deine!«
» Jetzt ist es meine«, gab sie zurück und klang wieder wie die Maggie, die ich kannte: verlässlich und verächtlich.
» Nun, dann kommst du eben mit«, sagte ich ungnädig, nachdem keiner von uns noch etwas hinzuzufügen hatte. Wir saßen da und tranken langsam, während die Trinkhalle sich mit fortschreitender Nacht leerte. Ich gab noch weitere sechzehn Pennys aus, die letzten zehn für die Schankmaid, damit sie uns neben dem erlöschenden Kohlebecken schlafen ließ. Am frühen Morgen schlossen wir uns den Arbeitern an, die über die östliche Brücke strömten – den Männern und Frauen, die sich täglich zum Säen und Unkrautjäten auf den Feldern anheuern ließen, um dann alles, was sie verdient hatten, in den Trinkhallen und Garküchen der Stadt auszugeben, wenn es Nacht wurde. Wir fielen niemandem auf. Wir gingen zum entlegensten Feld des Dorfes, wo uns eine Bäuerin für ein Silberstück so viel Brot, Käse und Trockenfleisch verkaufte, wie wir tragen konnten, und einen Wasserschlauch aus einem Ziegenbalg. Dann nahmen wir die südöstliche Straße zur Küste.
Es war dieselbe Straße, auf der ich mit Kit Beale vor beinahe neun Monaten geritten war. Damals war es Herbst gewesen, und jetzt war es Frühsommer, und Maggie stapfte neben mir her. Wie damals wusste ich auch jetzt nicht, was mit mir geschehen würde. Aber alles sonst war anders. Ich war anders. Und bei jedem Schritt einer jeden Meile war mein Herz von Cecilia erfüllt. Mit Sorge, mit Angst, mit Schmerz. Mit Liebe, woran alle drei anderen Gefühle einen Anteil hatten.
Mein Arm tat nur noch wenig weh. Was immer Mutter Chilton damit angestellt hatte, die Gewehr -Wunde schien schneller zu heilen als unter der Pflege von Lady Margaret. Ich war immer noch von meiner Krankheit geschwächt, und manchmal musste ich anhalten und mich ausruhen. Maggie hatte mehr Kraft als ich. Trotzdem ruhte ich weniger als erwartet, und auch dafür mochte vielleicht der Umschlag von Mutter Chilton verantwortlich sein.
Maggie hatte an jenem ersten Tag wenig gesprochen. Aber als wir in einem Dickicht ein gutes Stück von der Straße entfernt unser Lager aufschlugen, nachdem wir unser Brot, unseren Käse und unser Fleisch gegessen hatten, saß sie mir an den glühenden Kohlen gegenüber. Nach Sonnenuntergang war es kalt, und ein jeder von uns hatte sich den Umhang eng um den Leib gewickelt. Der Mond war eine dünne Sichel im Osten, kaum sichtbar, und die Sterne schienen hoch oben und klar.
» Roger, was wirst du tun, wenn du Lady Cecilia findest?«
Ich wollte nicht über Cecilia streiten, nicht mit Maggie. Ich sagte harsch: » Ihr dienen.«
» Als ihr Hofnarr?«
» Nein!«
» Als was dann?«
» Du kannst einfach nichts auf sich beruhen lassen, wie?«, sagte ich wütend. » Lady Cecilia ist auf dem Weg in die Unbeanspruchten Lande. Sie ist nicht allein, aber wer immer bei ihr ist, es ist nur eine Person. Mutter Chilton hat mir nicht gesagt, wer es ist. Cecilia wird Bedienstete brauchen, Wachen, einen Hofstaat.«
» Du bist weder ein Bediensteter noch ein Wächter«, sagte Maggie, » und ganz gewiss bist du kein Höfling.« Sie starrte mit finsterem Gesicht genau ins Feuer.
» Sie vertraut mir. Und außerdem wirst du auch ein Zuhause brauchen, Maggie. Du wolltest aus dem Palast fliehen, und das hast du getan. Aber was nun? Lady Cecilia könnte dir vielleicht eine Stelle als ihre Dienerin geben, oder …«
» Halt den Mund!«, fuhr mich Maggie so gekränkt an, dass ich überrascht war. Für mich sah es nicht nach einem Standesverlust aus, wenn man von der Köchin zur Dienerin einer Hofdame aufstieg, aber ich stellte ihr keine Fragen mehr. Ich wollte mich nicht mehr streiten.
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