Pfad der Seelen
Tisch zusammen.
Einer der Männer zog sein Schwert. Der andere sagte scharf: » Nein, komm ihm nicht nahe!«
» Die Münzen …«
» Lass sie, du Idiot!«
Alle drei verließen das Gasthaus und liefen in die Nacht hinaus.
Ich ging nach oben, holte Maggie, und wir schlüpften hinaus, wo wir nach ein paar Meilen auf der Straße im dichten Unterholz ein Lager errichteten. Vorher nahm ich allerdings aus dem Gasthaus etwas zu essen und eine weitere alte, geflickte, aber dennoch brauchbare Decke mit. Es würde kalt sein, wenn wir über die Berge ins Seelenrankenmoor gingen.
Wo meine Mutter gestorben war. Wohin Cecilia geflohen war – mit wem nur? Wo ich vielleicht endlich die Wahrheit über meine Vergangenheit und meine Zukunft finden würde.
24
»Wir können nicht ins Seelenrankenmoor gehen«, sagte Maggie. » Wir können nicht.«
Es war Morgen. Maggie und ich saßen uns an der Asche unseres Lagerfeuers gegenüber. Letzte Nacht hatte sie sich zu sehr gefürchtet, als dass sie mir viele Fragen gestellt hätte, aber diesen Morgen war sie wieder ganz sie selbst. Nach wie vor war sie ängstlich – wenn überhaupt, dann hatte sie noch mehr Angst, seit ich ihr unser Ziel verraten hatte –, trotzdem brachte ihre Angst sie dazu, sich eher zu sträuben als sich zu ducken.
Ich gab zurück: » Immerhin hast du den Namen ausgesprochen. Im Palast wolltest du ja › Seelenrankenmoor‹ nicht einmal über die Lippen bringen. Als ob die Worte allein dir etwas antun könnten.«
» Nicht die Worte, du Idiot! Die Leute, die sie vielleicht mithören!«
Das ergab einen Sinn. Ich hatte damals nicht gewusst, wie sehr der Palast von Gucklöchern durchzogen war, von Spionen und Intriganten. Inzwischen wusste ich es. Aber wir waren jetzt nicht im Palast.
» Sag es mir«, beharrte ich. » Sag mir, was das Seelenrankenmoor ist.«
Trotz des wunderbaren Morgens erschauerte sie.
Und es war ein wunderbarer Morgen. Über Nacht war aus dem Frühling ein erster Vorgeschmack des Sommers geworden. Goldenes Licht lag auf den halb erblühten Bäumen. Weißdornblätter rollten sich in jenem zarten Gelbgrün aus, das man nur einmal jedes Jahr zu sehen bekommt. Die Wälder rochen frisch und erwartungsvoll und brachten Leben hervor.
Sie sagte: » Das Seelenrankenmoor ist der Tod.«
» Keine Rätsel, Maggie. Sag mir die Wahrheit. Wer lebt im Seelenrankenmoor?«
» Die, die niemals sterben.«
» Hexen?« Ich war mir noch immer nicht sicher, was mir bei Mutter Chilton passiert war oder was für einen Schluss ich daraus ziehen sollte.
» Nein. Sie verbrennen dort Hexen wie überall sonst auch. Aber sie sind auch … sie sind …«
» Sag es mir!«
Sie erschauerte. Aber niemand konnte behaupten, Maggie hätte keinen Mut. » Sie sterben nicht, weil sie das Leben anderer nehmen. Sie ermorden sie und stehlen ihre Seelen, um deren Stärke zu erlangen und zu der ihren hinzuzufügen. Und deshalb leben sie ewig.«
» Nichts lebt ewig.« Ganz besonders ich hatte einen Grund, das zu wissen. » Wie stehlen sie die Seelen anderer?«
» Ich weiß es nicht. Die Zeremonie ist geheim, nur sie kennen sie. Es gibt Gerüchte … aber keiner weiß es genau.«
» Bist du sicher, dass das nicht nur eine Sage ist? Eine Geschichte, mit der man Kindern Angst einflößen will, damit sie brav sind – wie die Legenden vom Habichtsmann oder dem Ungeheuer unter dem Berg?«
Ihr Zorn flammte auf. » Woher soll ich das wissen? Meinst du, dass ich je zum Seelenrankenmoor gegangen bin, um es herauszufinden? Das bin ich nicht, und ich gehe auch jetzt nicht hin. Wenn Lady Cecilia in den Unbeanspruchten Landen ist, werde ich bei dir bleiben, bis du sie findest, aber anschließend nicht mehr. Hörst du mich, Roger? Anschließend nicht mehr! Ich werde nicht bleiben und eine Dienerin von Lady Cecilia werden, wie du es vor ein paar Tagen so charmant vorgeschlagen hast. Ich lebe lieber als Küchenmagd, als Schweinehirtin, sogar als Hure! Verstehst du mich?«
Ich war entsetzt. Maggie als Hure? Obwohl ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte, ließen die Worte ein seltsames Gefühl in meinem Herzen aufkommen. Es sah gar nicht nach Maggie aus, so unvernünftig zu sein. Nichts ergab einen Sinn.
Aber ich hielt mich nicht lange mit Maggies Tobsuchtsanfall auf. Während ich die Asche zerstreute und wir wieder die holperige Straße entlangtrotteten, waren meine Gedanken aufgewühlt von dem, was sie mir gesagt hatte. Irgendeinem schrecklichen und ängstlichen Glauben zufolge wurden
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