Pfad der Seelen
Maggie legte sich hin und rollte sich zu einer Kugel zusammen, den Rücken mir zugewandt.
Ich träumte in jener Nacht am Feuer, dass ich wieder in der Wäscherei des Palastes war. Ich färbte Stoffe grün, doch dann – wie es die Art von Träumen ist – färbte ich Leute, und nicht grün, sondern gelb. All diese Leute waren Frauen, und alle waren sie nackt: die Königin, Cecilia, Cat Starling, Maggie. » Seht ihr«, sagte ich, » jetzt seid Ihr alle Narren.« Ich erwachte mit einer so heftigen körperlichen Reaktion, dass ich nichts tun konnte, als unter die Büsche zu kriechen und zu hoffen, dass Maggie nicht aufwachte.
Alles Narren. Mich eingeschlossen.
Maggie und ich gingen ein paar Tage lang weiter, ohne uns viel zu unterhalten. Sie war mürrisch und sah mich häufig nicht einmal an. Das Königinnenreich lag in der Milde des Frühlings vor uns, war von neuem Licht und zartem Grün erfüllt, aber die Nächte waren noch kalt. Der Mond wuchs immerzu, bis er ein voller, runder Kreis war, der über alles ein silbernes Leuchten legte. Das Land um uns herum wurde wilder, weniger fruchtbar. Frisch bepflanzte Felder wichen Schafweiden, und dann, als der Boden felsiger und noch steiler wurde, Weideflächen für Ziegen. Aus Hügeln wurden Berge mit tiefen Schründen und jähen Abgründen. Wann immer jemand aus irgendeiner Richtung die Straße entlangritt, versteckten wir uns. Aber mir wurde klar, dass mich Hartah mit seinen schrecklichen Geschichten über Räuber und Diebe und die Gefahren, denen sich einsame Reisende aussetzten, belogen hatte. Ich sah keine Leichen, die ausgeweidet neben der Straße verrotteten. Und jeden Tag tauchten weniger Reiter auf. Wir hatten die Grenze zu den Unbeanspruchten Landen erreicht.
» Unsere Vorräte sind beinahe erschöpft«, sagte Maggie.
» Weiter vorne gibt es ein Gasthaus. Dort können wir Vorräte kaufen und uns umhören.«
» Ein Gasthaus? Woher weißt du das?«
» Ich weiß es«, sagte ich. Und so kamen wir ans letzte Gasthaus, in dem ich mit Hartah und Tante Jo übernachtet hatte. Es sah noch genauso aus, ein rauer Ort für ein raues Volk. Irgendwo im Osten lag das Meer, und auch die geschützte Bucht, die so gut geeignet für Schmuggler war. Durch den dichten Wald hinter dem Gasthaus konnte ein Reisender sich nähern oder verschwinden, ohne von der Straße aus gesehen zu werden. » Ein guter Ort, um interessante Dinge zu erfahren«, hatte Hartah behauptet. Ich nahm ein weiteres Silberstück von Mutter Chilton aus meinem Stiefel und steckte es in die Tasche.
» Maggie, du musst genau tun, was ich dir sage, während wir in diesem Gasthaus sind.«
Sie fragte ganz vernünftig: » Was wirst du mir auftragen?«
» Sprich nicht. Du kannst vielleicht als Junge durchgehen, wenn du die Kapuze aufbehältst, mit all dem Dreck auf deinem Gesicht, aber nicht, wenn du etwas sagst. Und wenn du oben allein im Zimmer bist, musst du die Tür verriegelt lassen, bis du sicher bist, dass derjenige, der anklopft, ich bin.« Ich verabscheute es, dass ich ihr dieselben Anweisungen gab, die Hartah auch mir gegeben hatte, aber es war nicht zu ändern. Damit hatte Hartah zumindest recht gehabt. Dies war kein Ort für eine Frau. Tante Jo war alt und verschrumpelt gewesen, aber Maggie war jung und wenn auch nicht richtig hübsch – niemand war im Vergleich mit Cecilia hübsch –, so war sie doch in Gefahr. Und ich mit meinem kleinen Rasiermesser konnte sie nicht verteidigen.
Wer verteidigte Cecilia? Ich hätte es sein sollen.
Maggie nickte. Sie zog ihren Umhang tief ins Gesicht. Ich sagte: » Lass deinen Umhang an der Taille offen stehen, sodass sie deine Stiefel und Hosen sehen können. Sie müssen glauben, dass wir zwei Jungen sind.« Sie nickte wieder und tat, was ich gesagt hatte – anfangs.
Zwei Männer saßen trinkend in der Schankstube, und ein weiterer trug Bierkrüge von einem Zimmer weiter hinten herein. Sie musterten uns mit kalten Blicken.
» Wir brauchen ein Zimmer für die Nacht«, sagte ich und streckte meine Hand mit der Silbermünze aus. » Mein Bruder ist hingefallen und hat sich das Bein verletzt.«
Maggie fing an zu hinken.
Der Gastwirt blickte von meiner Münze zu meinem Gesicht und auf den dicken, pelzbesetzten Umhang. Seine Stimme war leutselig und schmierig. » Jawohl, Junge. Ich habe ein schönes Zimmer für euch dort oben. Mein bestes. Und vielleicht noch ein kleines Abendmahl?«
» Nein, danke.«
» Wie du wünschst. Hier entlang.«
Ich folgte ihm nach oben.
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