Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
der Grund, weshalb sie manchmal Menschen anfallen. Mit einer Beeinträchtigung wie dieser können sie keine schnelle Beute erjagen. Ich bin einigen Tigern begegnet, die regelrecht verhungert sind, weil sie von Stachelschweinen verletzt worden waren.«
»Nun, der gesunde Menschenverstand würde einem in dem Fall wohl raten, einfach kein Stachelschwein zu essen.«
Kishan grinste. »Aber sie sind köstlich.«
»Igitt.« Ich sog scharf die Luft ein. »Aua!«
»Hab’s gleich. Da. Er ist draußen.«
»Danke.«
Er säuberte meine schlimmsten Wunden mit desinfizierenden Tüchern und verband sie dann notdürftig. »Ich denke, du heilst hier schneller als sonst, aber nicht so schnell wie ich. Wir sollten eine Pause einlegen.«
»Wir können uns ausruhen, wenn wir unten sind.«
Seufzend rieb er sich die Stirn. »Kells, wir haben Tage gebraucht, um zum Wipfel zu kommen. Es wird uns Tage kosten, wieder nach unten zu klettern.«
»Nein, das wird es nicht. Ich kenne eine Abkürzung. Als mir die Raben den Verstand geklärt haben, konnte ich sehen, welche Macht dem Tuch innewohnt. Wir müssen bloß einen Ast entlangspazieren.«
Ich spürte, dass Kishan mir nicht glaubte, aber er folgte mir dennoch. Vorsichtig gingen wir einen langen Ast entlang.
»Und jetzt?«, fragte Kishan, als wir das Ende erreichten.
»Schau einfach zu.« Ich hielt das Tuch mit den Fingerspitzen und sagte: »Einen Fallschirm für zwei Personen, bitte.«
Das Tuch ballte sich zusammen, zog sich dann stramm in die Länge und faltete sich mehrmals. Von allen vier Ecken lösten sich Fäden und wurden immer länger. Sie verwoben und verknoteten sich, formten Gurtzeug, Steuerleinen und Seile. Schließlich hörte das Tuch auf, sich zu bewegen. Es hatte sich in einen großen Tandemfallschirm verwandelt.
Kishan starrte ihn ungläubig an. »Was hast du getan, Kelsey?«
»Du wirst schon sehen. Leg ihn an.«
»Du hast Fallschirm gesagt. Du willst mit einem Fallschirm abspringen?«
»Ja.«
»Das ist keine gute Idee.«
»Ach, komm schon. Tiger haben doch keine Höhenangst, oder?«
»Das hat nichts mit Höhenangst zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir uns unglaublich weit oben auf einem Baum befinden und du vorschlägst, uns mit einem sonderbaren Stoff, von dem du glaubst, es wäre ein Fallschirm, ins Ungewisse zu stürzen.«
»Das ist wirklich einer, und es wird klappen.«
»Kelsey.«
»Du musst Vertrauen haben, wie schon der ozeangleiche Lehrer gesagt hat. Das Göttliche Tuch kann auch andere coole Dinge. Auf dem Weg nach unten werde ich dir alles erzählen. Kishan, vertrau mir.«
»Ich vertraue dir , ich vertraue bloß nicht dem Stück Stoff dort.«
»Nun, ich werde auf jeden Fall springen. Kommst du mit oder nicht?«
»Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du stur wie ein Esel bist?«
»Ren musste mit meiner Sturheit und meinem Sarkasmus umgehen, du hattest also bisher Glück.«
»Na ja, aber zumindest ist er für seine Mühe mit ein paar Küssen belohnt worden.«
»Du hast auch welche bekommen.«
»Nicht freiwillig.«
»Das stimmt.«
»Also gut.« Er seufzte ergeben. »Wenn du darauf bestehst, erklär mir aber bitte zuerst, wie das funktionieren soll.«
»Ganz einfach. Wir schnallen uns an, springen und ziehen die Reißleine. Zumindest hoffe ich, dass es so funktioniert«, murmelte ich leiser.
»Kelsey.«
»Keine Sorge. So soll es sein. Ich weiß, dass wir es schaffen.«
»Okay.«
Er legte sich den Gurt an, während ich mir den Rucksack auf den Bauch schnallte. Dann trat ich zu Kishan.
»Hm … du bist zu groß für mich. Vielleicht wenn ich mich auf einen höheren Ast stellen …«
Ich sah mich nach einer Erhöhung um, da schlang mir Kishan kurzerhand die Arme um die Hüfte und hob mich hoch. Er drückte mich an seine Brust, und ich schlüpfte in den zweiten Gurt des Göttlichen Tuchs.
»Äh … danke. Na gut, als Nächstes musst du loslaufen und vom Ast springen. Schaffst du das?«
»Das sollte ich gerade noch schaffen«, erwiderte er trocken. »Bist du bereit?«
»Ja.«
Er drückte mich an sich. »Eins, zwei, drei!« Kishan rannte fünf Schritte und stürzte sich mit mir in die Tiefe.
22
F or t
D er Wind schlug uns heftig entgegen, während wir im freien Fall durch die Luft sausten und wie Dorothys Haus im Zauberer von Oz herumwirbelten. Kishan gelang es schließlich, uns mit dem Gesicht nach unten auszubalancieren. Er nahm meine Handgelenke und streckte unsere Arme zu beiden Seiten aus, sodass wir das
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