Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
triumphierenden Jubelschrei aus, der von den umliegenden Bergen widerhallte.
Als er mich endlich absetzte, musste ich erst wieder zu Atem kommen. Ich keuchte schwer und sagte: »Wofür war das denn?«
»Ich bin einfach so glücklich, am Leben zu sein!«
»Okay, schön. Aber behalt deine Lippen das nächste Mal bei dir.«
Er seufzte. »Sei nicht sauer, Kells.«
»Ich bin nicht sauer . Ich bin … Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es ist einfach alles viel zu schnell passiert.«
Ein spitzbübisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Ich verspreche, beim nächsten Mal nichts zu überstürzen.«
»Welches nächste Mal?«
Er runzelte die Stirn. »Du solltest die Sache nicht zu eng sehen. Es ist doch eine ganz natürliche Reaktion, wenn man dem Tod knapp entronnen ist. Ähnlich wie Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehren, das nächstbeste Mädchen küssen, sobald sie von Bord sind.«
»Ja, vielleicht«, entgegnete ich trocken, »aber der Unterschied liegt darin, dass dieses Mädchen mit dir an Bord war. Sobald wir das Festland erreicht haben, kannst du ruhig das nächstbeste Mädchen küssen, Matrose, aber Hände weg von diesem Mädchen.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Wirklich? Wenn du mich fragst, hat es sich eher angefühlt, als hätten sich deine Hände nicht zurückhalten können.«
»Wenn meine Hände überhaupt auf dir waren, dann nur, um dich von mir wegzustoßen«, schleuderte ich ihm entrüstet entgegen.
»Was auch immer du dir einreden willst, um später ein reines Gewissen zu haben. Du kannst dir einfach nicht eingestehen, dass es dir gefallen hat.«
»Hm, lass mich kurz überlegen. Du hast vollkommen recht, Casanova. Es hat mir gefallen. Als es endlich vorbei war!«
Er schüttelte den Kopf. »Du bist dickköpfig. Kein Wunder, dass Ren so viele Probleme mit dir hatte.«
»Wie kannst du es wagen , deinen Bruder jetzt auch nur mit einer Silbe zu erwähnen?«
»Wann wirst du den Tatsachen endlich ins Auge sehen, Kells? Du magst mich.«
»Nun, im Moment mag ich dich nicht besonders! Können wir einfach zum Geistertor zurückwandern und dieses Gespräch beenden?«
»Ja, lass uns gehen. Aber das Gespräch werden wir später fortsetzen.«
»Eher friert Shangri-La zu.«
Süffisant lächelnd schulterte Kishan den Rucksack. »Ich kann warten. Nach dir, Bilauta .«
Wir marschierten mehrere Stunden. Kishan versuchte ununterbrochen, mich in eine Unterhaltung zu verwickeln, doch ich behandelte ihn, als wäre er Luft.
Das Problem war – er hatte nicht ganz unrecht. Ich hatte insgesamt nicht nur mehr Zeit mit ihm verbracht als mit Ren, wir hatten auch monatelang unter demselben Dach gelebt. Seit Wochen waren wir in Shangri-La und klebten Tag und Nacht aneinander.
Dieses ständige Zusammensein ruft eine besondere Nähe, eine Vertrautheit zwischen zwei Menschen hervor. Im Gegensatz zu mir war Kishan bereit, diesen Umstand anzuerkennen. Es war nicht verwunderlich, dass Kishan, der bereits vorher Gefühle für mich hatte, diese nun unverhohlen äußerte. Die Sache war die: Es störte mich nicht so sehr, wie es mich hätte stören sollen. Und Kishans Kuss war nicht mit dem von Artie oder Jason oder selbst dem von Li zu vergleichen.
Als ich Li geküsst hatte, hatte ich das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Selbst Rens Küsse waren anders. Sie waren wie ein überwältigender Wasserfall im Dschungel – funkelnd und glitzernd im Sonnenschein. Er war ein exotisches Paradies, das es zu erforschen galt. Kishan war anders. Kishan war ein reißender Wildwasserfluss – schnell, unvorhersehbar, unbezähmbar. Die Brüder waren beide umwerfend und faszinierend, aber Kishan zu küssen hatte einen gefährlichen Beigeschmack.
Nicht gefährlich wie die männlichen Sirenen; die hatten sich falsch angefühlt. Wenn ich ganz ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass sich der Kuss mit Kishan nicht falsch angefühlt hatte. Genau genommen war es schön gewesen, wie eine wildere, stürmischere Version von Ren. Bei Kishan kam es mir wirklich so vor, als stünde ein Tiger vor mir, der sich im nächsten Augenblick auf mich stürzen wollte. Es war keine gänzlich unangenehme Vorstellung. Und genau das war der Punkt, der mich beunruhigte.
Ich bin wohl schon zu lange von meinem Freund getrennt, versuchte ich mir mein Gefühlschaos zu erklären. Kishan ist die nächstbeste Wahl, und ich vermisse meinen Tiger. Das ist sicherlich alles. Ich ließ mich von diesen Gedanken trösten, während wir
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