Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
bis sie schlitternd anhielt und zu ihrem Haus sah.
Die Vordertür stand weit offen, und dunkler Qualm quoll heraus. In einem Fenster waren Flammen zu sehen. Gabriella betrachtete die Szenerie schockiert und ungläubig.
»Verfluchter Mist!«, erklang plötzlich Quints Stimme hinter ihm.
»Was tust du hier?«, fragte Nate.
Quint blickte auf das brennende Gebäude. »Ich hörte euch auf dem Korridor und dachte, ihr könntet vielleicht Hilfe brauchen. Also habe ich Muldoon geweckt. Wir sind eben angekommen.«
Gabriella stieß einen stummen Schrei aus. »Meine Briefe!«
Nate jedoch war zu seinem Bruder gewandt. »Wo ist Muldoon?«
»Er lief die Feuerwehr holen, sowie wir bemerkten, woher der Rauch kam.« Quints Blick wechselte von Nates Gesicht zu einem Punkt hinter Nate. »Vielleicht solltest du sie aufhalten.«
Nate drehte sich um und sah Gabriella, die durch die offene Tür zurück ins Haus stürmte.
»Teufel noch eins!« Er rannte zur Tür, Quint keinen Schritt hinter ihm.
»Hier.« Quint warf ihm ein Taschentuch zu. »Halt dir das vor Mund und Nase, und sei um Gottes willen vorsichtig!«
Nate presste sich das Tuch vors Gesicht und lief ins Haus. Unten an der Treppe, etwa zwei Meter entfernt, loderten Flammen in die Höhe. Das Feuer hatte sich bis in den Salon rechts ausgebreitet. Guter Gott, wo war sie?
»Gabriella!«, schrie er und betete, dass sie ihn über den Flammenlärm hinweg hörte. Die Angst um sie schnürte ihm den Brustkorb zu. Noch dazu war der Rauch so dicht, dass er die Hand vor Augen nicht sehen könnte, wäre da nicht das Feuer.
»Hier.« Sie kam schwankend, hustend und keuchend aus dem Salon. Er lief auf sie zu, als ein lautes Krachen die Luft zerriss. Noch während er die Hände nach ihr ausstreckte, sah er ihren schreckerfüllten Blick und den gigantischen Deckenbalken, der über ihnen einstürzte und Nate nur um Zentimeter verfehlte. Gabriella jedoch sank unter ihm zu Boden.
Sein Herz blieb stehen, und er packte die Balkenstücke, die er in Windeseile beiseitewarf. Im nächsten Moment war Quint neben ihm. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, wie es ihm erschien, bis sie Gabriella befreit hatten. Nate zog sie mit Hilfe seines Bruders aus den Trümmern, hob sie in seine Arme, und beide Männer flohen aus dem Flammenmeer. Keine Sekunde waren sie draußen, als der Rest der Decke einstürzte und Flammen direkt hinter ihnen aufzüngelten. Sie stolperten vom Haus weg, und Nate bemerkte, dass die Feuerwehr angekommen war.
Muldoon kam zu ihnen gerannt. »Ist sie …« Blanke Angst flackerte in seinen Augen.
»Nein.« Nate konnte das schwache Auf und Ab von Gabriellas Brustkorb sehen. »Aber wir müssen sie nach Hause bringen.«
Quint nickte. »Wir haben eine Kutsche.«
Sie stiegen in den Wagen, und Quint entsandte Muldoon, den Arzt der Familie nach Harrington House zu schicken. Nate bezweifelte nicht im Mindesten, dass es dem guten Doktor unmöglich wäre, Muldoons Aufforderung nicht nachzukommen.
Er hielt Gabriella auf der endlosen Fahrt in den Armen. Oben an ihrer Schläfe war eine Schnittwunde, doch sie schien keine Verbrennungen erlitten zu haben. Und sie hielt ein Bündel Briefe in ihrer Hand. Obgleich Nate wusste, dass Kopfwunden stets heftig bluteten, kam ihm ihr Blutverlust beängstigend vor. Und so tat er das Einzige, was er tun konnte.
»Guter Gott«, betete er, »lass mich sie nicht verlieren.«
Jedes Zeitgefühl war ihm abhandengekommen.
Vage registrierte Nate, dass die Sonne aufgegangen war. Er war nicht sicher, wie lange er auf dem Korridor im Flügel seiner Mutter hockte. Sie hatte darauf bestanden, Gabriella in einer der größeren Suiten unterzubringen. Nun war sie mit dem Arzt drinnen, und Nate wartete. Seine Angst lag ihm wie ein Stein im Magen.
Quint und Sterling waren die ganze Zeit bei ihm, genauso wie Muldoon. Für einen Diener war es wohl kaum das angemessene Verhalten, aber Muldoon war für Gabriella eher ein Familienangehöriger.
»Ist sie deshalb in das Haus zurückgelaufen?«, fragte Quint, der auf das Briefbündel in Nates Schoß wies.
Er nickte.
»Was sind das für Briefe?«, fragte Sterling.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Nate kopfschüttelnd. »Aber sie sind gewiss nicht ihr Leben wert.«
»Für Gabriella schon«, sagte Muldoon leise. »Obwohl sie es leugnen würde. Es sind Briefe an ihre Mutter. Sie fand sie nach dem Tod ihres Bruders.« Seine Miene verhärtete sich. »Er hatte sie ihr nie gegeben.«
Nate hatte noch nie jemanden gehasst,
Weitere Kostenlose Bücher