Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
aber in diesem Moment hätte er gern selbst Enrico Montini ein Messer über die Kehle gezogen.
»Weißt du, was geschehen ist?«, fragte Sterling. »Wie das Feuer ausbrach?«
»Es war noch jemand im Haus. Ich dachte, ich hätte etwas gehört, war mir aber nicht sicher.« Er blies langsam seinen Atem aus. »Ich hätte besser achtgeben müssen. Ich hätte …« Ich hätte sie davon abhalten müssen, ins Haus zurückzulaufen. »Ich weiß nicht, ob das Feuer gelegt wurde oder ein Unglück war, und ich vermute, das ändert ohnedies nichts mehr.«
»Es könnte jemand gewesen sein, der nach dem Siegel suchte«, sagte Quint.
»Oder nach dem Abdruck, der die Echtheit des Siegels beweist. Ohne den Abdruck kann jeder behaupten, es wäre seine Entdeckung.« Nate schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß es nicht, und offen gesagt ist es mir gleich.«
Quint merkte auf. »Habt ihr es gefunden?«
»Was gefunden?« Sterling blickte von einem Bruder zum anderen. Dann schien er zu begreifen. »Das Siegel? Das Montini-Siegel?«
»Ja, haben wir.« Nate fühlte es noch in seiner Tasche.
»Nun, das ist …« Sterling suchte nach dem richtigen Wort. »Gut?«
Nate sah seinen ältesten Bruder an.
»Sie wird wieder gesund, Nate«, sagte Sterling leise.
»Natürlich wird sie gesund«, fügte Quint im Brustton der Überzeugung hinzu.
Die Tür zu Gabriellas Gemächern ging auf, und Dr. Crenshaw kam mit ernster Miene heraus, gefolgt von Nates Mutter. Nate sprang auf, so dass das Briefbündel zu Boden fiel. »Wie geht es ihr?«
»Der Schnitt an der Stirn war oberflächlich. Ich bezweifle, dass ihr davon eine Narbe bleibt. Aber …«, sagte der Arzt bedächtig, »ihre Lunge arbeitet sehr schwach, was nach alledem wohl zu erwarten war. Und sie hat üble Blutergüsse am Kopf, die mir Sorge bereiten.«
Nate widerstand dem Drang, den Mann zu ohrfeigen. »Aber wird sie wieder gesund?«
»Ganz ehrlich, Nathanial, es ist zu früh, um das mit Sicherheit zu sagen. Ich komme morgen früh wieder. Dann wissen wir mehr.« Er wandte sich zu Nates Mutter. »Jemand sollte bei ihr bleiben. Und schicken Sie nach mir, sobald eine Veränderung eintritt.«
»Ja, natürlich. Ich danke Ihnen.« Sie bedeutete Andrews, den Doktor zur Tür zu begleiten. »Ich bleibe bei ihr.«
»Nein!« Panik ergriff Nate bei dem Gedanken, Gabriella könnte aufwachen, und er wäre nicht da. Oder er wäre dort, und Gabriella würde gar nicht aufwachen. »Ich bleibe bei ihr.«
»Mein Lieber.« Seine Mutter war voller Mitgefühl. »Das ist mehr als unpassend.«
»Lass ihn, Mutter«, sagte Sterling streng.
Seine Mutter warf Sterling einen vernichtenden Blick zu, bevor sie sich wieder ihrem Jüngsten zuwandte. »Nathanial, du riechst sehr stark nach Rauch. Sogar recht überwältigend. Nachdem Gabriellas Haus gerade in Flammen aufging, halte ich diesen Duft für wenig geeignet, ihre erste Wahrnehmung beim Erwachen zu sein. Zudem bist du erschöpft. Du kannst ihr in deinem gegenwärtigen Zustand keine Hilfe sein. Ich möchte, dass du ein Bad nimmst, schläfst, und danach darfst du bei ihr wachen, solange du willst.«
Zwar gefiel es ihm nicht, aber er wusste, dass sie Recht hatte. »Na schön.«
Sie sah zu Quinton. »Du riechst um nichts besser als er.«
»Ja, Mutter«, murmelte Quint.
»Was Sie betrifft«, sagte sie zu Muldoon. »Ich bin mir Ihrer Verbundenheit zu Miss Montini gewahr. Sie sind jederzeit willkommen, vor Ihrem Zimmer zu sitzen, und wir werden Ihnen umgehend Bescheid geben, sollte ihr Zustand sich verändern.«
»Ich danke Ihnen vielmals, Madam.« Muldoon verneigte sich.
»Im Moment kann niemand von uns etwas anderes tun als warten, Nathanial«, sagte seine Mutter und legte eine Hand auf seinen Arm. »Wir kennen Dr. Crenshaw seit vielen Jahren. Er hat sich uns allen zu unterschiedlichen Zeiten angenommen, und ich vertraue ihm. Außerdem erkenne ich mittlerweile, wann er zuversichtlich ist.«
Nate lächelte matt. »War das zuversichtlich?«
»Ja. Gabriella wird vollständig gesunden.« Sie drehte sich wieder zur Tür, stockte und bückte sich nach dem Briefbündel. »Was ist das?«
»Deshalb lief sie ins Haus zurück«, antwortete Nate. »Es sind Briefe an ihre Mutter. Gabriella fand sie nach dem Tod ihres Bruders. Er hatte sie ihr vorenthalten.«
»Man wünscht sich wahrlich, so unchristlich es auch ist, dass er in der Hölle schmort.« Sie betrachtete das Bündel. »Jemand muss ihr die Wahrheit sagen.«
»Da Montini tot ist und sie die Briefe hat,
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